Niemand ist ohne Schuld - Dark village ; 3
keinen klaren Gedanken fassen.
âWas war denn?â, fragte Vilde, als sie die Freundinnen erreichte.
âWas meinst du?â, fragte Nora.
âDu hast doch mit Trines Eltern gesprochen.â
âAch so. Ja. Sie haben gesagt, wir sollen sie mal besuchen kommen. Wenn wir Lust haben.â
âSie besuchen?â
âJa.â
âAh.â Vilde drehte das Gesicht in den Wind. Ihre Kiefermuskeln arbeiteten.
âHast du Lust?â
âSie zu besuchen?â
âJa?â
Vilde schüttelte den Kopf. âNicht wirklich.â
âIch auch nichtâ, sagte Benedicte.
âSollten wir aber vielleichtâ, sagte Nora.
âNeinâ, erwiderte Vilde.
âKönnen wir uns heute Abend treffen?â, fragte Benedicte.
âJaâ, sagte Nora.
âIch will nicht zu denen nach Hauseâ, zischte Vilde.
Benedicte hob beschwichtigend eine Hand. âIch meinte nur wir drei.â
âLogo.â Nora nickte.
Vilde antwortete nicht. Sie starrte Trines Eltern hinterher, die gerade in ein Auto einstiegen. Die Pressefotografen standen zehn, fünfzehn Meter entfernt hinter einem rot-weià gestreiften Absperrband und knipsten wie verrückt. Vilde konnte das Klicken der Kameras hören.
âVilde.â Benedicte legte ihr eine Hand auf den Arm. âHast du heute Abend Zeit?â
Vilde zuckte die Schultern.
âAch kommâ, flüsterte Nora.
âWarum denn?â
âBrauchen wir einen Grund?â, fragte Benedicte.
âNein, du liebe Güteâ, sagte Vilde. âDa drüben liegt ja bloà Trine in der Erde.â
âVildeâ, flüsterte Nora.
âWir müssen redenâ, sagte Benedicte. âWir haben überhaupt noch nicht richtig miteinander geredet.â
âRichtig?â Vilde lachte. âWir sollen richtig miteinander reden? Fühl, fühl, fühl und Ah, was tut das gut, endlich mal drüber zu sprechen ?â
âNeinâ, sagte Benedicte.
âErsparâs mir.â
âDas meine ich doch gar nicht.â
Vilde zog eine Schachtel Zigaretten aus der Tasche. âIch hau ab.â
âMistâ, sagte Benedicte.
Nora stand regungslos da und fragte sich, ob dies das Ende ihrer Freundschaft war. Fühlte es sich so an, wenn die Vertrautheit verschwand und es so anstrengend war, sie wiederherzustellen, dass man einfach keine Kraft mehr dafür aufbrachte?
12
Sie gingen den Krankenhauskorridor entlang. Doktor Wolff schaute auf die Uhr. Inzwischen war die Beerdigung wohl vorbei.
âIn Krimiserien im Fernsehenâ, sagte er über die Schulter, âda kommt der Mörder fast immer zur Beerdigung. Stimmt das?â
Der Ermittlungsleiter der Kripo lächelte kurz und höflich. âJa, im Grunde schon. Aber nicht so, wie Sie vielleicht denken.â
âSondern?â Doktor Wolff blieb vor einer Tür stehen und schloss sie auf.
âDie meisten Morde passieren im Bekanntenkreisâ, sagte der Ermittlungsleiter. âOft sind es Familienmitglieder. Und dann ist der Mörder natürlich auf der Beerdigung, wenn wir ihn nicht vorher erwischen.â
âIhn?â Wolff drückte die Tür auf und machte Licht.
âWie bitte?â
âSie sagen immer er . Bislang gibt es doch noch keine Beweise, dass es sich um einen Mann handelt.â
Der Kriminalbeamte winkte müde ab. âAlte Gewohnheit.â Er betrat den Raum und sah sich um. âIn der Regel sind es Männer. Frauen morden bei Weitem nicht so häufig.â
âJa, stimmt wohl.â Wolff nickte.
âHierher wurde sie gebracht?â, fragte der Ermittlungsleiter.
âJa.â Wolff zeigte auf einen OP-Tisch mitten im Raum. âDort lag sie. Mit allem Drum und Dran. Also noch mit der Plastikfolie.â
âWie weit war die Folie zu dem Zeitpunkt aufgeschnitten?â
âNur ein Stückchen.â
âKönnen Sie âein Stückchenâ bitte genauer definieren?â
âNa ja, über dem Gesicht, vielleicht fünfundzwanzig Zentimeter, schätze ich. Als man sie geborgen hat, musste man ja prüfen, ob sie noch atmet.â
âUnd was haben Sie mit der Folie gemacht?â
âIch habe sie losgeschnitten, zusammengerollt und in einen frischen Leichensack gepackt.â
âWarum in einen Leichensack?â
âDas war eine Menge Plastik, die Folie war recht steif und schwierig zusammenzulegen. Ich hatte Angst, Spuren zu
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