Niemand ist ohne Schuld - Dark village ; 3
Katie so oft: eine kleine, zerstörte Silhouette vor dem gigantischen Staudamm.
Er denkt: Katie. Ich habe Katie umgebracht. Ich habe den einzigen Menschen umgebracht, der mich liebt . Und ein bisschen später, als er in das leere Haus kommt und vor lauter Leere die Wanduhr im Erdgeschoss bis oben in sein Bett ticken hört, da denkt er: Jetzt bin ich auch tot. Ich bin tot . In den Mundwinkeln schmeckt er salzige Tränen.
Nicholas ist acht Jahre alt. Katie ist gerade vierzehn geworden.
11
Nora saà mit hochgezogenen Beinen in einem tiefen Sessel im Wohnzimmer. Sie zappte durch die zwanzig Programme, die sie reinbekamen.
Ihr Handy klingelte. Sie schaute aufs Display. Ihre Mutter rief an.
âJa?â
âNora?â
âNeinâ, giftete Nora. âDie heilige Mutter Gottes.â
âNora. Lass den Quatsch.â Ihre Mutter klang â vorsichtig ausgedrückt â gestresst.
âAlso echt, Mama.â
âWas machst du?â, fragte ihre Mutter unnachgiebig.
âIch bin zu Hauseâ, sagte Nora und spürte, dass sie ärgerlich wurde. âWas denkst du denn? Ich bin immerhin krank! Du erinnerst dich? Nora, deine kranke Tochter?â
Ihre Mutter überhörte die Spitze. âNora. Du bleibst zu Hause. Du gehst nirgendwo hin.â
âIch bin krankâ, sagte Nora. âIch habe nicht vor, irgendwo hinzugehen. Ein bisschen Mitgefühl könntest du wohl â¦â
âNora. Jetzt halt endlich mal die Klappe und hör mir zu!â
Nora schloss den Mund. So redete ihre Mutter normalerweise nicht mit ihr. Noch nie, nie in ihrem ganzen Leben hatte ihre Mutter gesagt, sie sollte die Klappe halten.
âNora â¦â Ihre Mutter holte tief Luft. âSei so lieb, hör mir einfach kurz zu. Es ist wichtig. Wir mussten Wolff freilassen, vor ein paar Stunden.â
âIhr habt Wolff laufen lassen?â
âJa, und er ââ
âIst er gefährlich?â
âNein, Nora. Er ist nicht gefährlich.â
âAber warum â¦â
âEr ist tot, Nora. Jemand hat ihn umgebracht. Verstehst du? Wolff ist ermordet worden. Er wurde erschlagen, und zwar richtig hinterhältig. Er hat Trine nicht umgebracht. Er war vielleicht irgendwie daran beteiligt oder er war Mitwisser, aber er hat es nicht getan. Da drauÃen ist noch jemand. Der Mörder läuft weiter frei herum und jetzt hat er auch Doktor Wolff getötet. Also, Nora. Sei so lieb, bleib zu Hause und schlieà die Tür ab.â
âJaâ, sagte Nora.
âAch, und Nora â¦â Ihre Mutter hielt kurz inne. âDu kannst ruhig Vilde und Benedicte anrufen und ihnen sagen, dass sie vorsichtig sein sollen. Okay? Erzähl ihnen alles, aber bitte sie, dass sie es für sich behalten sollen, auf jeden Fall noch eine Weile. Es dauert sowieso nicht lange, bis die Sache rauskommt.â
âJaâ, sagte Nora.
âGut.â Ihre Mutter atmete auf. âSchön. Ich kann jetzt leider nicht länger telefonieren. Hier herrscht das totale Chaos.â
âTschüssâ, verabschiedete sich Nora.
Lena Kristine Sigvardsen Moe seufzte. âJa. Machâs gut, mein Schatz. Das ist alles ganz schön schrecklich. Aber bald ist es vorbei.â
âMm.â
âTschüss. Ich melde mich nachher noch mal.â
âBis dann, Mama.â
Nora drückte das Gespräch weg. Dann wählte sie Benedictes Nummer. Ihre Finger zitterten so sehr, dass sie sich drei Mal vertippte.
12
Benedicte stand im Bad und wrang das Hemd ihres Vaters aus, als das Handy klingelte. Seufzend legte sie es über die Waschmaschine. Dann würde sie die eben später anstellen.
Sie trocknete sich die Hände an einem Handtuch ab und zog ihr Telefon aus der Tasche.
âHallo?â
âIch binâsâ, sagte Nora. âEs ist was passiert. Du wirst es nicht glauben.â
âWas?â, fragte Benedicte.
Sie betrachtete das Hemd ihres Vaters. Es war eigentlich hellblau, aber im Wasser hatte es sich dunkel verfärbt. Sie sah, dass einzelne Stellen noch dunkler waren. Ein groÃer Fleck vom Kragen abwärts bis hin zur Brusttasche. So sehr hat er ja wohl kaum geblutet , dachte Benedicte, bei der kleinen Schürfwunde ?
âBist du noch dran?â, fragte Nora.
âJa, ja.â
âHörst du mir zu, oder was?â
âKlar. Also, was ist los?â
Während Nora berichtete, was sich ereignet hatte, strich
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