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Niemand lebt von seinen Träumen

Niemand lebt von seinen Träumen

Titel: Niemand lebt von seinen Träumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Der Schrei! Det is doch nich richtig.«
    Sie sahen sich stumm an. Direkt über ihnen, auf einem hohen Juteballen, zugedeckt mit einer alten Zeltplane, lag Susanne und hielt den Atem an. Sie war von dem zweiten Anruf erwacht und hatte sich sofort verkrochen, als sie den schwachen Lichtschein von der Treppe her wahrnahm. Nun starrte sie hinunter auf die beiden Matrosen, die direkt unter ihrem Versteck standen und die Ecke ableuchteten.
    »Det is komisch«, sagte Johnny und schüttelte den Kopf. »Ick laß mir fressen, wenn det nich komisch is.«
    Er wollte die Lampe niederschrauben und das Messer wieder einstecken, als ein Naturereignis eintrat, mit dem keiner der Anwesenden rechnete.
    Susanne unter ihrer Zeltplane begann die Nase zu jucken.
    War es der Staub der Juteballen, war es das Stroh, das aus den nebenstehenden Kisten quoll – die Nase juckte, der Reiz war so stark, daß sie fühlte, wie nur ein lautes Niesen sie befreien konnte. Das aber bedeutete ihren Untergang – wenn sie jetzt niesen würde, war die Entdeckung unvermeidlich, und alle Mühe war umsonst gewesen. Man würde sie wieder an Land bringen, und der Kampf um die Fahrt nach Amerika begann von neuem.
    Susanne drückte sich die Nase zu. Sie massierte die Nasenwurzel, sie hielt die Luft an – sie krümmte sich vorsichtig und verbarg die Nase unter ihrer Jacke – es half nichts. Der Reiz blieb, das Niesen kroch in ihr empor und suchte nach explosiver Entspannung.
    Als sie es nicht mehr aushalten konnte, schob sie blitzschnell die Zeltplane zur Seite, richtete sich auf und – Hatschi! – nieste sie in solch einer Lautstärke, daß sich der Ton in dem weiten Gewölbe noch verstärkte und durch das Echo zurückgeworfen wurde.
    Pit und Johnny sanken fast zusammen und wurden gelb vor Schreck, als über ihren Köpfen plötzlich der Explosionslaut krachte – sie fuhren zurück, gingen in Abwehrstellung und sahen mit starren Augen um sich.
    In dem trüben Licht der Petroleumlampe sahen sie auf dem hohen Juteballen ein Gesicht auftauchen, umrahmt von wirren Locken. Dann wurden zwei Beine sichtbar, umhüllt von einer engen Cordsamthose, ein Oberkörper in einem hellen Pullover erschien, ein kleiner Plumps, und Susanne stand vor den sprachlosen Matrosen und nickte mit dem Kopf.
    »Da habt ihr mich. Nun ist ja doch alles aus!«
    »Ein Blinder!« sagte Pit stotternd.
    »Und een süßer Blinder!« Johnny hatte sich wieder von dem ersten Schreck erholt und schnalzte mit der Zunge. »Wenn die der Alte sieht, meen Jott, der frißt se. Solln wir se wieder verstecken?«
    Susanne Braun sah, daß ihre Entdeckung gar nicht so dramatisch war, wie sie gedacht hatte. Sie griff in die Hosentasche und holte für Pit und Johnny je eine Schachtel Zigaretten hervor.
    »Hier, nehmt und verratet mich nicht, Jungs!«
    Johnny tippte mit dem Zeigefinger an die Stirn und grinste.
    »Det möchten wir ooch nicht. Aber wenn det herauskommt, dann fliejen wir. Und det können wir uns nicht leisten. Meldung müssen wir machen …«
    »Bitte, bitte nicht«, flehte Susanne. Sie hob bittend beide Arme und sah die beiden aus ihren großen Augen hilfesuchend an. Pit fuhr sich mit der Zunge über die Lippe und stieß Johnny in die Rippen.
    »Ich habe nichts gesehen«, sagte er leise.
    »Ick ooch nicht. Aber det jet nich. Ordnung muß sein, ooch auf so 'nem Kahn wie der ›Giesela Russ‹. Und an Land kann die Kleene sowieso nich, weil keen Land da is. Der Alte muß se mitnehmen! Und wenn er det nich will, dann verstecken wir se wieder. Wat, Pit?«
    Und Pit grinste, nickte und machte Susanne verliebte und verdrehte Augen.
    »Na, denn komm mal mit«, sagte Johnny und griff Susanne am Arm. »Am meisten toben wird der Steuermann. Det is'n Weiberfeind! Der Jens Vondel! Aber det bieje ick schon hin! Und nun man los …«
    Sie kletterten die Eisentreppe empor, und je höher sie stiegen, um so ängstlicher und verzagter wurde Susanne.
    Als sie auf Deck standen, sah Susanne das weite Meer um sich herum. Es rauschte an der Bordwand empor, und keine Küste war mehr zu sehen, nur die Möwen, die um die Masten segelten, bewiesen, daß Land in der Nähe war.
    Susanne blickte empor zum blauen Himmel. Ihre Augen waren voll Tränen. Lieber Gott, schütze mich. Segne alles, was aus Liebe geschieht.
    Mit schleppenden Schritten folgte sie den beiden Matrosen.

10
    Bill Bluet blätterte in dem Schriftstück herum, ehe er sich an Dr. Yenkins und Frank Barron wandte.
    »Hm«, sagte er. »Hier wäre etwas für Ihre

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