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Niemand lebt von seinen Träumen

Niemand lebt von seinen Träumen

Titel: Niemand lebt von seinen Träumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dunkel, ein wenig stickig und sehr ungemütlich.
    »Det hätten wir!« meinte Johnny und setzte sich auf den Boden. »Jetzt kann der Alte brüllen! Ick bin nich da!«
    Er steckte eine kleine Petroleumlampe an, die er in der Jackentasche bei sich getragen hatte, und schraubte den Docht so hoch, daß er hell brannte, aber nicht qualmte. Dann schob er Pit die Karten hin und meinte: »Misch du. Ick hab heute dat Gefühl, dat ick jewinne. Und det kann ick nur, wenn ick nich mische …«
    Pit, der sehr schweigsam war, mischte die Karten und hob sie dreimal ab. »Brauchen unbedingt ein paar neue«, sagte er dann. »Die Dinger kleben ja. Der Alte hat in der Kombüse ein tolles Spiel. Das könnten wir mal organisieren.«
    Und Johnny lachte breit und beleckte sich die Fingerspitzen.
    »Her mit den Blättern, Pit! Ick setze eene Mark! Eene janze Mark! Ick jewinne heute!«
    Und Pit teilte die Karten aus.
    Es war das Unglück der beiden, daß in diesem Ladebunker drei zwischen den Juteballen der blinde Passagier Susanne Braun lag und schlief.
    Das Stampfen der Maschine, das Klatschen des Wassers an die Bordwand, die Aufregungen der letzten Stunden, das Warten und Lauschen auf eine Kontrolle hatten sie müde gemacht. Als Susanne spürte, wie das Schiff aus dem Hafen fuhr, wie die kleinen Lotsenschlepper zurückblieben und die ›Giesela Russ‹ ins offene Meer glitt, da hatte sie vor Freude und Glück geweint und war schluchzend eingeschlafen.
    Sie träumte von New York.
    Vor ihr lag die Hafeneinfahrt – sie stand an der Reling und schaute hinüber auf die riesige Freiheitsstatue, die ihre Fackel zum Zeichen der Freiheit und der Menschenrechte in den blauen Himmel stieß. Und plötzlich verschwand das Bild vor ihren Augen – die Augen der Statue wurden groß – sie kamen näher, das Gesicht verwandelte sich, wurde männlich, blonde Haare umrahmten ein energisches braunes Gesicht. Frank war es, wirklich Frank – er lächelte ihr zu, streckte die Arme nach ihr aus … ›Willkommen‹ formten seine Lippen, seine Augen lachten – da hob auch sie die Arme und schrie laut seinen Namen, sie warf sich in seihe Arme und küßte ihn, immer und immer wieder …
    Pit und Johnny fuhren entsetzt auf, als sie aus einer Ecke des dunklen Ladebunkers einen hellen Schrei hörten.
    Pit sah Johnny mit bleichem Gesicht an und merkte, wie ihm heiß wurde.»Hast das gehört?« stammelte er leise.
    »Ick bin doch nicht …!« Johnny sah sich vorsichtig um. »Det war'n Schrei!«
    »Hier im Bunker?«
    »Ick weeß auch nich, et war mir so … Det kam aus der Ecke«, meinte Johnny leise.
    Sie schauten sich um, konnten aber in der Dunkelheit des weiten Laderaums nichts erkennen.
    »Oder von oben?« raunte Pit. »Glaubst du an den Klabautermann?«
    »Dämlichkeit! Den jibt es nicht!«
    »Aber der Schrei! Das war kein Mensch!«
    »'ne Ratte schreit anders! Die piepst mehr! Aber det war een menschlicher Schrei. Det war eene Frau!«
    »Unheimlich!« Pit begann zu zittern. Er nahm die Petroleumlampe hoch und leuchtete die Umgebung ab. Der schwache Schein erhellte jedoch nur den nahen Umkreis – die Weite des Ladebunkers lag weiterhin in tiefer Dunkelheit.
    »Ich gehe«, sagte Pit schwach. »Mir ist es zu unheimlich hier … kommst du mit, Johnny?«
    »Noch nich … ich muß erst sehen, wat det war!«
    Johnny griff in seine Hosentasche, holte ein großes Taschenmesser hervor und klappte es auf. Die gut zehn Zentimeter lange Klinge schimmerte im trüben Licht.
    »Jetzt kann ruhig eener kommen«, sagte Johnny leise. »Det Messerwerfen habe ick in Wedding jeübt!«
    Er trat aus seinem Versteck hinter den Juteballen hervor und rief laut:
    »Wer ist da?«
    Niemand antwortete. Johnny hatte auch nichts dergleichen erwartet – was ihn aber stutzig machte, war ein Rascheln, das aus einer der dunklen Ecken kam.
    »Da ist doch jemand«, sagte Pit leise.
    »Det jlobe ick ooch!« Johnny umklammerte sein Messer und schrie noch einmal: »Wer ist da? Wennste nich kommst, komm ick!« Sekunden verstrichen, ohne daß sich jemand meldete. Johnny hob die Lampe höher und drängte sich durch die Ballen und Kistenstapel hindurch zu der Ecke, aus der er das Rascheln vernommen hatte.
    Gewissenhaft leuchtete er sie ab, konnte aber niemanden sehen. Die Zwischenräume der Kisten und Ballen waren leer.
    Gegen die Bordwand klatschte das Meer.
    »Keener!« sagte Johnny leise.
    »Unheimlich!« meinte Pit und kaute an der Unterlippe. »Laß uns gehen, Johnny.«
    »Aber det Rascheln, Pit!

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