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Niemand

Niemand

Titel: Niemand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Rensmann
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die Cleverness in Person. Er folgte ihnen in einem sicheren Abstand den Berg hinunter, am Eingang der Burg – seiner Burg – vorbei in Richtung Floskelweg. Der Kommandant der Greislinge gab zwei kleinen, nur wenig mit Gold behangenen Kröten einen Befehl. Sie gahten erfreut und rissen das Schild, das auf der einen Seite mit »Das Ende« und auf der anderen mit »Der Anfang« gekennzeichnet war, aus der Verankerung, warfen es zu Boden und trampelten wie aufgescheuchte Hühner darauf herum, bis es mit dreckigen Froschfußabdrücken besät war.
    »Der Anfang« des Floskelwegs hatte ein jähes Ende genommen. Gut so. Niemand Sonst hatte nie verstanden, warum der Floskelweg einen Anfang und ein Ende haben sollte, und das auf beiden Seiten. Die Idee eines naiven Plattitüdenreiters: alle Floskeln auf einem Weg einzusperren, sodass sie sich in geballter Form vermehrten und wie Unkraut aus dem Boden sprossen. Seine zu früh verstorbene Fast-Frau war dumm wie Bohnenstroh gewesen, aber diese Schilder hatte sie nicht aufgestellt und auch nicht den Floskelweg angelegt.
    Er wusste viel über das Niemandsland, das Wenigste davon hatte er selbst erlebt, die Vergangenheit hatte er sich erzählen lassen und dabei feststellen müssen, dass jeder, den er befragt hatte, Neues zu berichten wusste, oftmals das Gleiche aus anderer Sicht. Verwirrend. Nun, es war ihm nie möglich gewesen, alle Legenden und jegliches Wissen über das Land, das bald ihm gehören würde, zu erfahren. Unwichtig! An oberster Stelle stand die Macht, nicht das Wissen.
    Niemand Sonst hielt Abstand zu den Greislingen, übersehen konnte er sie bei ihrer Größe sowieso nicht. Trotz Unsichtbarkeit war er verletzlich, und er bevorzugte einen anderen Tod, als unter den riesigen Schwimmflossen der Greislinge begraben zu werden. Wenn er darüber nachdachte, bevorzugte er überhaupt keinen Tod, sondern beanspruchte das ewige Leben für sich selbst. Der Rest interessierte ihn nicht – alles Verräter und Lügner. Er brauchte seine Armee, aber wäre er zum Eingang der Burg gegangen, hätte er zu viel Zeit verloren. Er hoffte, dass sie sich um Anton und Niemand kümmerten und sie gebührend empfingen.
    Niemand Sonst gab es ungern zu, und nur sich selbst gegenüber, aber er zweifelte allmählich an seinem Sieg. Alles lief an ihm vorbei, keiner beachtete oder hörte auf ihn. Selbst die Floskeln überfielen ihn nicht, sondern schienen ihre neue Freiheit zu genießen und sich in alle Winde zu zerstreuen, dabei verfügte das Niemandsland nur über einen Wind, einen redseligen Flüsterwind.
    Das machte ihn wütend. So wütend wie das Wurzelmännchen, wenn es aus dem Schlaf gerissen wurde. Doch mit einem gebührenden Kreischanfall hätte er sich verraten, also biss sich Niemand Sonst auf die Zunge und tobte in seinen Gedanken herum, bis er Kopfschmerzen bekam und sich die Zungenspitze abgebissen hatte.
        

80.

    »Lass mich runter!« Nina hatte sich genug in den Armen des Wurzelmännchens ausgeruht. Sie spürte eine innere Unruhe. Vorahnung, hätte Suse vermutlich gesagt und ihr hellseherische Fähigkeiten eingeredet. Nina vermisste ihre Schwester nicht. Und verdrängte den Gedanken an die Rückkehr.
    »Hört ihr das?« Der Nikolaus war stehen geblieben und hielt eine Hand an sein Ohr.
    Quaken. Stampfen.
    Geräusche, die den Boden unter ihren Füßen zum Beben brachten.
    »Das habe ich in der Burg gehört.« Nina nahm dem Nikolaus das Klößchen ab. Petit schlief eingewickelt in der Decke. Und Nina hatte Anton versprochen, auf ihn aufzupassen. »Nicht das Quaken, aber das Stampfen. Wie ein Beben. Und riesige froschartige Schatten, die über die Burg fielen.«
    »Hast du Feenkraut geraucht? Klingst ein bisschen wirr, wie ich finde. Lilly wird mir zustimmen.« Fräulein Klimper hatte ihren langen Schlaf beendet und schien bester Laune.
    Doch Lilly widersprach der Fee. »Ich habe sie verstanden.«
    »Das sind die Goldgelockten-Giganten-Greislinge.« Alle sahen zum Himmlischen Kind, dessen goldblonde Locken sein smartes Gesicht einrahmten. Sein Blick war starr geradeaus gerichtet, als sähe das Himmlische Kind den Greislingen bei ihren Grausamkeiten in einer anderen Dimension zu. Dann lächelte es verschmitzt, betrachtete sein Goldenes Horn, als sei es der wertvollste Schatz, und schritt an den anderen vorbei, die ihm mit aufgerissenen Augen und offen stehenden Mündern hinterhersahen, bevor sie ihm folgten.
    »Seine Stimme ist fast noch schöner als sein Gesicht«, flüsterte

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