Niemand

Titel: Niemand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Rensmann

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sogar, seinen Bruder darunter zu riechen, obwohl sich der Geruch von dem ihm bekannten stark unterschied. Zu gern wäre er auf ihn losgegangen. Ach was – auf die gesamte Schar. Doch der Sack auf der anderen Seite des Berges hielt ihn davon ab. Sein Drecksack, fett und tiefrot, schnaufte den Weg hinauf. Den wollte sich Niemand Sonst schnappen. Doch auch sein Sohn schien den Drecksack entdeckt zu haben. Sein Geruch wehte wie ein Sturm an ihm vorbei und auf den Drecksack zu. Jung und voller Elan, athletisch und schön anzusehen, so stellte er sich Niemand vor. Niemand Sonst spuckte aus und lief weiter. Er passierte unbemerkt die Armee der Greislinge. Die Luft blieb ihm weg, Seitenstiche hinderten ihn am Weiterlaufen. Er war vorher schon weite, unebene Strecken hinter dem Pfui-bäh-Mädchen hergerannt wie ein junger Gott – der Niemand Sonst. Doch selbst der sportlichste Held brauchte eine Verschnaufpause.
    Niemand hatte den Sack erreicht, der überrascht in Richtung des unsichtbaren Möchtegern-Herrschers blickte. Er hasste seinen Sohn, der ihm wie ein fremdes Ei ins Nest, das er erst bauen musste, gelegt worden war.
    Jetzt rannten sie den Abhang hinunter, von oben eilte die Armee im Gleichschritt heran.
    Das schien ein spannender Wettlauf zu werden. Niemand Sonst rieb sich die Hände. Die Niemandsära strebte dem Ende entgegen.
    Niemand Sonst folgte der Armee, er wollte nicht verpassen, wenn die gigantischen Greislinge Niemand in Nichts verwandelten. Sie hatten den Sack entdeckt und quakten gallige Wutgeräusche. Der Greisling-Kommandant gab Befehle, die Armee lief auf ihr neues Ziel zu. Der Sack rollte in ein Gebüsch. Was für ein blöder Drecksack.
    Und plötzlich war er verschwunden. Niemand Sonst rieb sich die Augen. Er hörte – nein! –, spürte, wie Niemand stürzte. Als er aufstand, roch er nach Essig. Schmerzen. Gut so. Doch Niemand gab nicht auf, er warf sich in das Gebüsch, in das der Sack gerollt war. Und verschwand ebenso.
    Zauberei? Nein, die gab es im Niemandsland nicht.
    Niemand Sonst bewegte sich leise und versuchte seinen Geruch zu verdecken, als er sich der wütenden Armee näherte.
    Eine Tür.
    Diese Burg hatte Niemand Sonst erbauen lassen, doch für diese Tür, darauf verwettete er seine Unsichtbarkeit, hatte er niemals den Auftrag erteilt.


76.

    Ninas Beine schmerzten vom Laufen und ihre Knie knickten bei jedem Schritt ein, sie kam kaum voran und bildete das Schlusslicht der Gruppe, die sich in Richtung Thron bewegte. Dort würde Niemand auf sie warten, hatte der Nikolaus ihr versprochen. Er war der einzige Grund, für den es sich lohnte, die müden Beine zu bewegen. Ein Schritt, noch einen Schritt, Schritt. Schritt. Schritt.
    Sie zuckte zusammen. Ein knorriger Finger tippte ihr auf die Schulter. Das Wurzelmännchen war noch weiter als sie zurückgefallen, denn es begrüßte jeden Baum. Bäume, die es in seinem Waldstück bei seinen Wutanfällen aus dem Boden gerissen hätte. Nina hatte es völlig vergessen.
    »Nina ist eine gute Nina. Niemand mag Nina. Soll das Wurzelmännchen Nina zu Niemand bringen?«
    Sie sah das Wurzelmännchen verständnislos an. Als ihre Knie unter ihr nachgaben, bewahrte das Wurzelmännchen sie vor einem Sturz, hob Nina hoch und trug sie auf seinen Astarmen wie ein Vögelchen. Nina ertappte sich dabei, wie ihr die Augen zufielen.
    Sie seufzte.
    Das Wurzelmännchen ließ seine Baumfreunde links und rechts von sich liegen und eilte hinter den anderen her, als wollte es seine kostbare Fracht präsentieren, und tatsächlich glaubte Nina, Zufriedenheit zwischen den Borken seines Rindengesichts zu entdecken.
    Der Nikolaus lächelte Nina zu. Petit schlief, eingewickelt in der Decke, die der Nikolaus in seiner linken Armbeuge trug.
    »Und wieso muss ich laufen?«, fragte Lilly, die eine laut schnarchende Klimper-Wünsche-Fee quer über dem Rücken liegen hatte.
    »Wir laufen doch auch.« Nichtsnutz und Taugenichts schwenkten ihre Arme und machten gemeinsam ein paar Freudensprünge.
    »Und wie ihr lauft! Ohne zu fallen«, sagte der Nikolaus. Er wandte sich nach rechts und sprach ins Nichts. »Erzähl uns von den Goldgelockten-Giganten-Greislingen.«
    Überhaupt Niemand räusperte sich und berichtete von seinen Erfahrungen in der Höhle der siamesisch-verdrillingten Kreischzwerge Schiz, Zof und Freny. Er ließ nichts aus und blieb, zu aller und vor allem seiner eigenen Überraschung, ehrlich. Er übertrieb nur ein einziges Mal, als er vom Gewicht des Heiligen