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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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lächelnde Kellnerin erschien sofort mit einem Whiskeykrug und zwei Gläsern.
    »Ich habe gehört, daß ihr unten auf Sizilien Verluste gehabt habt. Wer ist draufgegangen?« fragte Skip Harrier und atmete gleichzeitig mit hörbarem Wohlbehagen aus, nachdem er sein erstes Glas gekippt hatte.
    »Hauptmann Lundwall, also Joe«, erwiderte Luigi vorsichtig.
    »Mmh, hast du ihn gekannt?«
    »Nein, Sir, wir haben uns nie kennengelernt.«
    »Hör doch jetzt mit diesem ›Sir‹ auf. Wir sind doch zwei ehrliche zivile Trinker, verdammt noch mal. Ach so, du hast ihn nicht gekannt. Wie hat Carl es aufgenommen?«
    »Es war hart für ihn, glaube ich, sogar verdammt hart. Wir sind ja ein kleiner Trupp, so daß man sich nach einiger Zeit recht nahe kommt. Und außerdem hatten wir früher nie Verluste gehabt.«
    »Nein, das stimmt. Wie hat es sich abgespielt?«
    »Carl und Hauptmann Lundwall saßen in einem Straßencafé und warteten auf eine Nachricht. Dann tauchten zwei Mann auf einem Motorrad auf. Der Schütze saß hinten. Automatikwaffe.«
    »Oh, Teufel auch. Die Itaker schafften es also, Joe mitzunehmen, bevor sie selbst draufgingen?«
    »Nein, Sir, Carl und Hauptmann Lundwall waren bei dieser Gelegenheit unbewaffnet.«
    »Was zum Teufel sagst du da, Jungchen? Was soll das heißen, unbewaffnet?«
    »Es stimmt, Sir. Sie waren unbewaffnet.«
    »Hör doch mit diesem ›Sir‹ auf, sagte ich doch. Das ist das Dümmste, was ich an diesem ganzen verdammten Tag gehört habe, was gar nicht wenig heißt, wenn ich daran denke, wo ich arbeite. Aber was sollte das eigentlich, unbewaffnet hinter dem Mob herzurennen?«
    »Woher soll ich das wissen? Später haben wir die Taktik geändert.«
    »Habt ihr den Burschen erwischt, der Joe umgebracht hatte?«
    »Ja, wahrscheinlich sogar beide. Das war zu einem späteren Zeitpunkt, als ich schon dabei war. Da waren wir allerdings ständig bewaffnet.«
    »Mmh, kann ich mir vorstellen. Wie hat Carl das Ganze aufgenommen?«
    »Du meinst mit Joe?«
    »Ja, natürlich. Selbstvorwürfe, wir hätten bewaffnet sein müssen, es war meine Schuld, und solche Scheiße.«
    »Ich weiß nicht recht. Während der Operation hat er nicht viel von seinen privaten Gefühlen gezeigt. Und seitdem haben wir uns nur gelegentlich bei der Arbeit getroffen. Ich habe aber den Eindruck, daß es an ihm nagt und ihn auffrißt.«
    »Ja, darauf kannst du Gift nehmen, daß es das tut. Carl nimmt so etwas sehr schwer. Selbstvorwürfe, Gewissen, Gut und Böse und die ganze Scheiße.«
    »Den Eindruck habe ich nicht.«
    »Nein, mein kleines Scheißerchen, doch das liegt daran, daß du Carl hauptsächlich in action begegnet bist, und da läßt er kaum viel zu wünschen übrig. Gott stehe den Itakern bei, die ihm dann über den Weg laufen. Aber hinterher, Jungchen, dann wird das Ganze bis in alle Unendlichkeit zerredet. Merkwürdiger Bursche, was das angeht, Charlie. Ich habe ihn verdammt gern, das ist es nicht. Wahrscheinlich mag ich Charlie mehr als jedes andere gottverdammte kleine Schlangenei, das wir hier draußen ausgebrütet haben. Aber dieses Weibergewäsch bleibt mir quer in der Kehle stecken. Teufel, du trinkst ja nichts!«
    Luigi führte pflichtschuldigst das Glas an den Mund und zwang ein paar Schlucke des scharf nach Fusel riechenden Getränks in sich hinein; aus irgendeinem Grund wollte Skip Harrier immer noch Moonshine trinken, Selbstgebranntes. Niemand wußte, weshalb, aber jeder wußte, daß es so war.
    »Hatten wir oder vielmehr ihr irgendwelche Verluste im Irak?« wechselte Luigi fast demonstrativ das Thema.
    »Nein, glücklicherweise nicht«, erwiderte Skip Harrier. »In Panama waren elf von dreizehn Verlusten unsere, aber Irak war ein Spaziergang im Park. Wir haben ein paar Ölbohrtürme draußen auf See eingenommen, und zwar ohne eigene Verluste. Das war alles. Alle Jungs kamen irgendwann nach Hause, nachdem sie Paraden und Ordensverleihungen über sich hatten ergehen lassen. Es ging recht ordentlich zu. Ein hübscher kleiner Krieg.«
    »Ein hübscher kleiner Krieg?« fragte Luigi verblüfft.
    »Ja, das darf man wohl sagen«, sagte Skip Harrier mit einigem Nachdruck und kippte ein halbes Glas in sich hinein.
    »Oder habt ihr aus eurer neutralen Arschgeigenperspektive irgendwelche Einwände?«
    »Nun«, begann Luigi vorsichtig, da er keinen Streit suchte, »es ist möglich, daß der Krieg durchaus berechtigt war, aber im übrigen war es ja nur so ein gottverdammter Indianerkrieg. Leichte Kavallerie gegen Artillerie,

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