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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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möchte ich dich heiraten, sobald wir nach Hause kommen. Oder du erwartest kein Kind, aber dann möchte ich dich trotzdem heiraten, sobald wir nach Hause kommen, damit du so schnell wie möglich ein Kind erwartest«, sagte er. Dann lächelte er sie unsicher an. Noch vor kurzem hatte er in erster Linie überleben oder es zumindest versuchen wollen, doch jetzt war ihm das Leben dazwischengekommen.
    »Wenn du mir versprichst, nichts über diese Grenze zu schmuggeln«, sagte sie ebenfalls mit einem unsicheren Lächeln.
    »Ja, das verspreche ich. Nichts einfacher als das«, sagte er, verstummte dann aber und sah sie forschend an. Sie nickte. Sie küßten sich und sagten lange Zeit nichts.
    Es war kalt. Bald würde es den ersten Schnee geben. Die Herbstfarben waren jetzt eher Gelb als Rot, und die Kälte zwang sie wieder in den Wagen.
    Er war plötzlich sehr guter Laune, als wäre eine schwere Last von ihm genommen. Er schlug ausgelassen vor, sie sollten ihrem Vermieter einen spontanen Besuch abstatten, um zu sehen, ob er mehr als nur einen Gesichtsausdruck habe. Vielleicht könnten sie ihn mit junger Liebe erweichen.
    Es war zweifelhaft, ob überhaupt irgend etwas Urmas Rinne erweichen konnte, zumindest seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen. Womit er sich die Zeit vertrieb, war recht eindeutig. Er ging auf die Jagd und fischte. Wovon er lebte, war schon etwas unklarer. Er war einmal Grenzschützer gewesen und hatte auf einem Schneemobil Schmuggler gejagt. Dafür hatte er wohl ein Gehalt bezogen. Womit er jetzt sein Geld verdiente, war nicht ohne weiteres ersichtlich. Er hatte nur nach langem Zögern eines seiner beiden Häuser an den Wasserschweden vermietet, nämlich das, welches abseits lag und schlecht zu erreichen war.
    Doch hatte Åke Stålhandske, ob nun Wasserschwede oder nicht, etwas an sich, was Urmas Rinne gefiel.
    Er arbeitete in seiner Räucherei, als sie auf den Hof fuhren, und nickte ihnen mürrisch und abwartend zu. Mieter, die ihn zu Hause besuchten, wollten sich nach seiner Erfahrung nur über etwas beschweren.
    Während Åke erklärte, sie wollten nur mal vorbeikommen und etwas plaudern, und ähnliche schwedische Freundlichkeiten von sich gab, wartete Urmas Rinne mißtrauisch auf den eigentlichen Grund des Besuchs und gab nur kurze gebrummelte Antworten von sich. Als Åke erzählte, er habe soeben um Annas Hand angehalten, und er und seine schwedische Verlobte wollten heiraten, sobald sie wieder in Stockholm seien, machte er ein fast mißbilligendes Gesicht.
    Immerhin bot er ihnen frisch geräucherten Saibling an und holte einige Flaschen Bier, die er aus dem Brunnen auf dem Hof hochzog, wo sie in einem roten Plastikeimer kühl lagen. Sie gingen zum Wasser hinunter und setzten sich auf den Bootssteg, wo sie schweigend aßen. Åke flüsterte, das Schweigen sei gar nicht so peinlich, wie man glauben könnte, denn ihr Gastgeber sei offenbar guter Laune. Anna lächelte nur freundlich. Mehr konnte sie kaum tun, da sie ohnehin kein Wort der lakonischen, knappen und meist von Schweigen geprägten Konversation der beiden Männer verstand.
    »Wie gesagt. Ich muß nach Stockholm runter, und dann heiraten wir«, sagte Åke und verleibte sich ein halbes Rückenfilet des geräucherten Saiblings ein.
    »Ja, das hast du schon gesagt. Wie schön«, sagte Urmas Rinne nach einiger Zeit.
    »Dann habe ich mir vorgenommen, wieder herzukommen. Noch ein paar Wochen«, fuhr Åke Stålhandske nach einer Pause fort.
    »Aha«, ließ sich Urmas Rinne vernehmen.
    »Ja, habe ich mir gedacht«, sagte Åke Stålhandske.
    Urmas Rinne ließ zunächst durch keinerlei Anzeichen erkennen, daß er etwas sagen wollte. Doch nach einiger Zeit stieß er ein einziges Wort hervor.
    »Warum?«
    »Nun, ich habe zu lange da unten in Stockholm gelebt. Ich wollte übrigens das Haus isolieren, wenn du nichts dagegen hast.«
    »Es wird ja bald Winter.«
    »Ja. Ich isoliere es auf eigene Kosten.«
    »Was denn sonst? Du glaubst doch wohl nicht, daß ich das für dich bezahle?«
    »Nein.«
    »Eben.«
    »Gut, daß wir uns einig sind.«
    »Ja.«
    Sie aßen eine Zeitlang schweigend weiter. Urmas Rinnes Gesicht war unergründlich, ebenso unergründlich wie sein Alter. Er konnte alles zwischen vierzig und sechzig sein. Das weiße Haar sagte nichts. Es hätte schon immer weiß gewesen sein können.
    »Ich hol noch etwas Fisch«, sagte er und stand auf, als er sah, daß nichts mehr da war.
    »Wovon quatscht ihr eigentlich?« fragte Anna verwirrt. »Es hört

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