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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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wenn ich so sagen darf, oder wie das Abknallen von Truthähnen, um einen amerikanischen Begriff zu verwenden.«
    »Du unterstellst also, wir wären gar nicht so sonderlich tapfer gewesen?« fragte Skip Harrier verdächtig sanft.
    »Ja«, entgegnete Luigi und schluckte, »ihr habt ja nicht gerade gegen Vietnamesen gekämpft.«
    Er sah in Erwartung von Skip Harriers Wutausbruch auf die Tischplatte; fünf Jahre Drill bei Skip, immer wieder unterbrochen von ewigen Kraftausdrücken über sämtliche Völker der Welt, beispielsweise Schweden und andere europäische Arschlöcher, die nicht zu schätzen wußten, welche Bedeutung die USA dafür hatten, daß die Zeitung morgens pünktlich ins Haus kam und das Fleisch abends auf dem Tisch stand, hatten auf Luigi einen tiefen pädagogischen Eindruck gemacht. Doch unbewußt hatte er genau den Gefühlsstrang erwischt, der Skip Harriers Haltung schnell veränderte. So wurde aus dem erwarteten Wutausbruch ein fast melancholisches Nachdenken.
    »Du hast recht, Jungchen«, sagte er. »Die Vietnamesen waren etwas vollkommen anderes. Man sagt ja immer, Kanaken könnten nicht kämpfen, und was die Araber angeht, neige ich dazu, dem zuzustimmen. Aber gooks , die können wahrhaftig kämpfen.«
    »Möglicherweise liegt es daran, daß sie es seit dem Zweiten Weltkrieg ohne Pause tun«, behauptete Luigi kühn. Doch auch das ließ Skip Harrier ihm durchgehen.
    »Wie wahr, wie wahr. Erst haben sie die Japse verprügelt, dann die Froschfresser und dann uns. Sie sind schon harte kleine Scheißhaufen.«
    Skip Harrier verstummte und sah in sein Glas. Luigi fürchtete schon, er würde sich jetzt in einen seiner legendären langatmigen Ergüsse über Vietnam stürzen.
    »Wir haben das Glück, daß wir es zu Hause nur mit den Russen zu tun haben«, sagte Luigi in einem fast verzweifelten Versuch, das Thema Vietnam zu vermeiden.
    Aber Skip Harrier nickte nur düster. Er schluckte den Köder nicht. Statt dessen füllte er beide Gläser bis zum Rand mit Whiskey und nahm Anlauf, und zwar irgendwo bei der Tet-Offensive 1968.
    Luigi biß die Zähne zusammen und stellte sich auf eine entsetzlich lange Nacht ein. In seinem Körper war es schon vier Uhr morgens, und dieser Abend hatte leider noch nicht einmal richtig begonnen.
    »Vitto! Satan, Teufel auch, das sind ja Vielfraßfelle!« rief Åke Stålhandske verblüfft aus und hielt Anna einige Felle hin.
    »Glaub bloß nicht, ich wüßte nicht, was dieser Ausdruck bedeutet«, schnaubte sie.
    »Schon, aber so heißt es hier zu Hause nun mal, wenn etwas wirklich bemerkenswert ist. Aber du verstehst also nicht, was Vielfraßfell bedeutet?«
    Anna schüttelte den Kopf. Sie standen in einer mehrere hundert Quadratmeter großen Touristenfalle in einem Ort namens Inari. Dort gab es Reihen von Bärenfellen und Reihen mit Wolfsfellen und sicher Tausende von Fuchsfellen und vielleicht fünftausend Messer. Variationen über ein Thema.
    »Das hier«, sagte Åke Stålhandske fast ehrfürchtig, »ist ein vom Aussterben bedrohtes Tier. In Schweden und Finnland ist es absolut verboten, Vielfraße zu jagen. Man kann sogar mehrere Jahre Gefängnis dafür bekommen, wie ich glaube, aber hier hängen sie. Verstehst du den Zusammenhang nicht?«
    Er lachte, und sie lächelte unsicher. Sie sah wirklich keinen Zusammenhang.
    »Hör mal«, sagte er, nahm zwei Felle und hängte sie sich über den Arm. »Sie müssen aus Rußland kommen, von der anderen Seite des Sees. Sie müssen irgendwo von dort kommen, denn sonst könnten sie nicht so offen hier hängen.«
    »Nein. Und?« sagte Anna und machte ein fragendes Gesicht.
    »Na hör mal. Dies soll eine der am härtesten bewachten Grenzen der Welt sein, aber der Schmuggelverkehr läuft offenbar völlig ungestört. Sieh dir doch nur diese Wolfsfelle an. Ich will verdammt sein, wenn allein hier im Laden nicht mehr Felle herumliegen, als in Finnland in einem oder in zwei Jahren legal geschossen werden. Vitto!«
    »Ich mag diesen Ausdruck nicht«, beharrte Anna.
    Åke Stålhandske machte eine unbekümmerte frohe Handbewegung, die eine zögernde Entschuldigung darstellte, nahm die Felle mit zur Kasse, wo man sie ihm in eine Plastiktüte legte.
    Anna war nachdenklich, als sie zum Wagen hinausgingen, um zu dem Häuschen zurückzufahren, das sie nach ein paar Tagen gefunden hatten. Es war tatsächlich wie eine Art Urlaub. Sie angelten, ruderten, übernachteten sogar draußen im Wald. Alles war so viel besser als zu Beginn der Reise, bei dieser

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