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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Anwesenden starben.«
    »Aber?«
    »Was heißt aber? Warum sollte es ein Aber geben?«
    »Das merke ich dir an. Falls du dich erinnerst, kennen wir einander schon recht lange.«
    »Na schön, es gibt ein Aber. Ich kann nicht ausschließen, daß sich noch eine Frau in diesem Haus befand. Ich weiß aber, daß keine Kinder mehr da waren, als ich den Befehl gab.«
    »Woher kannst du das wissen?«
    »Weil ich sie sah.«
    »Durch die Wände?«
    »Ja, stell dir vor.«
    »Mit deinem Röntgenblick also?«
    »Nein. Aber mit einem Infrarotgerät, das die Körpergröße der Menschen und ihre Wärmeausstrahlung feststellen kann, wenn schon nicht ihr Alter.«
    »Teufel auch.«
    Sie sagte lange Zeit nichts, und er wurde unterdessen immer unsicherer, was sie mit ihrem »Teufel auch« gemeint hatte. Zunächst hatte er den Eindruck, daß es sich nur auf die Möglichkeit bezog, durch dünne Holzwände hindurch die Körperwärme von Menschen zu messen. Doch je länger ihr Schweigen dauerte, um so unsicherer wurde er.
    Schließlich kam er auf den Gedanken, daß sie nur dasaß und darauf wartete, daß er etwas sagte. Er hatte das Gefühl, daß es jetzt wie bei einem chirurgischen Eingriff oder zumindest einem Zahnarztbesuch nur darum ging, die Qual so kurz wie möglich zu machen.
    »Mir ist nicht ganz klar, was du wissen willst, oder warum es so wichtig ist, es zu wissen«, begann er mit zusammengebissenen Zähnen. »Rein sachlich gesehen und in aller Kürze ist folgendes in Italien geschehen: Eine italienische Mafiafamilie hatte vier schwedische Staatsbürger entführt. Sie boten uns das Leben ihrer Opfer im Austausch gegen eine Waffenlieferung durch den schwedischen Staat, die sie mit einem ansehnlichen Verdienst in Libyen weiterverkaufen wollten. Unser Auftrag lautete, die Geiseln zu befreien und das Geschäft somit zunichte zu machen. Insoweit alles in Ordnung? Ich meine, deine Landsleute in den entsprechenden Organisationen hätten auch nicht anders reagiert oder gedacht.«
    »Nein, insoweit ist alles in Ordnung«, erwiderte sie leise.
    »Und unsere entsprechenden Behörden zu Hause hätten wie ihr gedacht und gehandelt. Doch jetzt zu den Methoden.«
    »Was unsere rein operativen Methoden betrifft«, begann er und holte tief Luft, »war es natürlich ausgeschlossen, auf Sizilien so etwas wie einen Guerillakrieg zu beginnen. Statt dessen stachelten wir zwei der mächtigsten sizilianischen Mafia-Familien dazu an, gegeneinander Krieg zu führen. Das gelang uns über Erwarten gut. Die Entführer waren am Ende gezwungen, uns aus reiner Verzweiflung ihre Geiseln zurückzugeben, nämlich gegen unser Angebot, ihrem Bürgerkrieg ein Ende zu machen. Sie hielten ihren Teil der Abmachung, und wir unseren. Doch danach stiegen die italienischen Streitkräfte ein und richteten ein Massaker an, das vermutlich den Eindruck erwecken sollte, es sei nur eine Fortsetzung dessen, was schon geschehen war. Erst da kam es zu zivilen Verlusten. Können wir das Thema jetzt beenden?«
    »Ja«, erwiderte sie, »jetzt haben wir genug darüber gesprochen. Findest du es unangenehm?«
    »Na und ob!«
    »Und jetzt ist es zu Ende, für immer zu Ende?«
    »Falls du glaubst, ich würde Sizilien je freiwillig wieder betreten, dann…«
    »Sizilien oder einen anderen Ort!«
    Sie hatte die Stimme erhoben, was sie nur selten tat. Sie saß entspannt und zurückgelehnt da, hatte die Hände auf dem Schoß gefaltet und blickte nach vorn auf die Fahrbahn, doch er spürte deutlich, daß sie innerlich vor Spannung vibrierte. Er ging automatisch davon aus, daß es etwas mit Moral und Katholizismus zu tun hatte, um etwas wie »Du sollst nicht töten«, ein Dilemma, das in diesem Fall ihn weit mehr betraf als sie. Doch er beschloß, so lange zu warten, bis sie etwas sagte.
    »Ist es jetzt vorbei?« fragte sie kurz, als das Schweigen schon unerträglich lange gedauert hatte.
    »Ob es vorbei ist? Ob das, was du killing business nennst, vorbei ist? Ist es das, was du meinst?« erwiderte er schnell.
    »Ja.«
    »Ja, das ist vorbei.«
    »Und woher soll ich das wissen?«
    »Das kannst du nicht wissen. Da es bei meinem Job so gut wie immer um Geheimnisse der Streitkräfte geht, kannst du und wirst du nichts davon erfahren, und außerdem dürfen wir solche Verhöre nicht zur Gewohnheit werden lassen. Rein formal begehen wir dabei ein Verbrechen, und…«
    »Du, aber nicht ich! Doch nicht mit mir!« schnitt sie ihm blitzschnell das Wort ab. Doch sie lächelte, als sie es sagte, und das gab ihm

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