Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
während die Pizzabäcker durch die Gegend rannten, um sich gegenseitig umzubringen. Und das soll ich glauben?«
    »Nein, so ist es nicht gewesen. Sowohl ich selbst wie Offiziere unter meinem Befehl haben bei einigen Gelegenheiten italienische Gangster gestellt. Das will ich nicht leugnen.«
    »Gestellt?«
    »Ja, genau. Wir nennen das so.«
    »Ein Euphemismus für ermorden?«
    »Wenn du so willst.«
    »Und du hast auch einige persönlich gestellt?«
    »Ja.«
    »Wie viele?«
    »Warum willst du das wissen?«
    »Ich weiß nicht, ob ich es wissen will, aber ich möchte wissen, ob ich eine Antwort erhalte.«
    »Sieben oder acht, etwas in der Richtung.«
    Sie warf sich gegen die Rückenlehne, atmete einmal heftig ein und aus, und es hatte den Anschein, als bereute sie die letzte Frage, als wollte sie nichts mehr wissen. Er hielt den Blick starr auf die Fahrbahn gerichtet und wartete.
    »Waren Frauen und Kinder unter denen, die du persönlich gestellt hast?« fragte sie nach zehn sehr langen Sekunden. Sie hörte sich wie eine Rechtsanwältin an, was sie ja auch war, und ihr Tonfall klang so, als verfolgte sie ein rein berufliches Interesse.
    »Nein«, erwiderte er und bemühte sich, seiner Stimme keinen verbissenen Tonfall zu geben. »Ich habe keine Frauen und Kinder getötet.«
    »Hast du einen Befehl dieses Inhalts erteilt?« fuhr sie mit der gleichen unerbittlichen Hartnäckigkeit fort, als befände sie sich in einem Gerichtssaal.
    »Ja.«
    Die knappe Antwort schien sie für einen Moment aus dem Gleichgewicht zu bringen, doch dann nahm sie das Verhör in dem gleichen Tonfall wie zuvor wieder auf.
    »Ich sollte vielleicht darauf hinweisen, daß der Beklagte sich jetzt selbst widerspricht«, sagte sie.
    »Ich widerspreche mir durchaus nicht, und außerdem bin ich kein Beklagter«, begann er und nahm dann Anlauf, um in der eigentlichen Sachfrage mit einer längeren Darlegung zu beginnen. Doch wie aus einem unerklärlichen Impuls heraus versuchte er es statt dessen auf einem vollkommen anderen Gleis.
    »Ich widerspreche mir also nicht und bin auch kein Beklagter vor Gericht. Ich versuche der Frau gegenüber, von der ich hoffe, daß sie sowohl vor dem Gesetz wie vor dem katholischen Gott bald meine Frau werden will, vollkommen aufrichtig zu sein.«
    »Hältst du damit endgültig um meine Hand an?« fragte sie, ohne eine Sekunde zu zögern.
    »Ja.«
    »Kann es sein, daß du die Umstände nicht etwas unromantisch findest?«
    »Doch, durchaus.«
    Er blickte einige Sekunden starr und steif auf die Fahrbahn und wandte sich dann plötzlich zu ihr um. Er lächelte und hob ein paarmal die Augenbrauen; das war eine kleine Grimasse, die weit in ihre gemeinsame Geschichte zurückreichte, so wie die Badestrände vor San Diego.
    Sie sah ihn erst verblüfft und zweifelnd an und lachte dann laut auf. Sie warf auf eine für sie bezeichnende Weise den Kopf in den Nacken, so daß er schon glaubte, der unangenehme Moment sei überstanden.
    »Kann man von deiner Seite vielleicht auch ein kleines Ja zu hören bekommen?« fühlte er vor.
    »Jetzt hör mal zu, sailor«, sagte sie mit etwas mehr Schärfe in der Stimme. »Von allen Ablenkungsmanövern und Versuchen, sich aus der Schlinge zu ziehen, die ich je erlebt habe, gebührt diesem wohl die Krone. Du wolltest wohl vom Haken, indem du um meine Hand anhieltest. Na schön, die Frage ist gestellt und wird bei passender Gelegenheit beantwortet werden. Doch jetzt zurück zum Thema. Du hast dir also widersprochen. Du hast unter Punkt drei in deiner etwas mageren ersten Darstellung gesagt, die Pizzabäcker hätten Frauen und Kinder umgebracht. Aber eben hast du zugegeben, du hättest selbst einen Befehl mit solchen möglichen Konsequenzen erteilt. Wie soll’s denn sein?«
    »Meinen Sie es ernst, Frau Anwältin?«
    »Ja, könnte man sagen.«
    »Und möchten Sie eine vollständige, erschöpfende und ernste Antwort?«
    »Ja.«
    »Na schön. Ich sehe hier weder die gute Absicht oder auch nur einen Sinn darin, aber von mir aus. Bei einer bestimmten Gelegenheit haben wir eine Heroinraffinerie gesprengt, die der von uns bekämpften Mafia-Familie gehörte. Ich hatte das Ziel im Visier, und einer meiner Mitarbeiter sollte es beschießen, wenn ich den Befehl dazu gab. In dem Gebäude befanden sich zwei Kinder und eine Frau. Ich wartete, bis die Kinder und die Frau das Haus verlassen hatten und sich in sicherem Abstand befanden. Erst dann gab ich Befehl, gezielt zu feuern. Das Labor wurde zerstört, und alle

Weitere Kostenlose Bücher