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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Luft hinzubringen, Personal und Material. Das ist die einzige Möglichkeit, die ich sehe.«
    »Du glaubst doch nicht, daß wir einfach über die russische Grenze fliegen können, das birgt doch unerhörte Risiken«, wandte Samuel Ulfsson skeptisch ein.
    »Nein, das glaube ich natürlich nicht, denn dann würde man uns, wie du so fein angedeutet hast, sofort abschießen. Das Gebiet ist mit radargesteuerter Luftabwehr geradezu gespickt. Es ist vermutlich nach der Moskauer Region der in dieser Hinsicht bestgeschützte Teil der Sowjetunion«, begann Carl und stand auf. Er trat vor die Karte, nahm den Zeigestock und zog einige Linien von Nordnorwegen über Finnland weiter zur Region Murmansk.
    »Hier«, erklärte er, »liegen die amerikanischen Einflugschneisen für die Marschflugkörper. Sie sind computerprogrammiert und fliegen auf vorherbestimmten Linien in Baumwipfelhöhe. Sie folgen der Topographie, so daß sie, jedenfalls theoretisch, vom Radar nie erfaßt werden können. Wir begeben uns also auf eine solche Schneise. Ich nehme an, daß die Amerikaner uns in der jetzigen Lage eine Maschine leihen können, und…«
    »Was für eine Maschine soll es sein?« unterbrach ihn der OB.
    »Eine normale Hercules. Die fliegen auch in Baumhöhe, kein Problem. Wir fliegen also auf einer solchen Einflugschneise, ungefähr bis hierhin.«
    Er wies mit dem Zeigestock auf eine Strecke, die etwa zu zwei Dritteln zwischen der finnisch-schwedischen und der finnisch-russischen Grenze lag. Dort hielt er mit dem Zeigestock inne und ließ ihn kreisen.
    »In etwa dieser Entfernung steigt die Maschine auf zehntausend Meter Flughöhe. Das erfordert einige Zeit, und dabei werden wir von allen Radarschirmen in der Region erfaßt. Finnische Jäger steigen von Rovaniemi auf, um den Eindringling abzuweisen. Die russische Luftabwehr wird in Alarmbereitschaft versetzt. Doch an dieser Stelle entladen wir alles, Personal und Ausrüstung. Die Maschine taucht wieder auf die alte Flughöhe. Entweder holen uns die finnischen Jäger ein, identifizieren die Maschine und fordern sie zum Abdrehen auf, oder sie entkommt ganz einfach.«
    Carl setzte sich. Ihm selbst schien der Plan kristallklar, doch die skeptische und fragende Haltung der beiden anderen blieb ihm nicht verborgen.
    »Ja, aber die Grenze…?« fragte der OB unsicher. Carl hatte gesagt, daß Personal und Ausrüstung fünfzig Kilometer vor der Grenze abgesetzt werden würden.
    »Ach so«, sagte Carl. Sein Gesicht hellte sich auf, als er begriff, was den beiden unklar geblieben war. »Das hätte ich vielleicht sagen sollen. Wenn also westlicher Wind herrscht, was in dieser Gegend ja meist der Fall ist, segeln die Fallschirme mühelos die ganze Strecke. Man nennt die Methode HAHO, High Altitude High Opening. Die Großmächte befassen sich mehr damit als wir. Wir haben ja kaum Anlaß, so etwas zu üben. Engländer, Amerikaner, Russen, sie alle beherrschen diese Technik jetzt. Man orientiert sich mit Hilfe von Karte und Kompaß und landet exakt an dem Punkt, den man vorherbestimmt hat. Insoweit gibt es keine Probleme.«
    Seine zwei Vorgesetzten schwiegen eine Zeitlang und grübelten.
    »Und dann?« wollte der OB wissen. »Was passiert dann?«
    »Auf der Gegenseite geschieht zunächst gar nichts, denn kein Radarschirm der Region hat die abgeworfene Ladung registrieren können. Die Ziele sind zu klein, und außerdem gibt es zu wenig Metall. Zudem kann man einige Scheinziele abwerfen, während man gleichzeitig Material und Personen absetzt. Der Trupp landet also an einem vorherbestimmten Ort, löst die Aufgabe auf russischem Territorium und schlägt sich dann durch, um das Land zu verlassen. Über diese Frage könnte man natürlich eine Weile nachdenken, doch allgemein läßt sich sagen, glaube ich, daß die Grenztruppen dazu da sind, schlecht ausgerüstete Privatpersonen zu stoppen. Bestens ausgerüstete Militärs sind etwas völlig anderes. So etwas erwarten sie nicht.«
    »Willst du damit sagen, daß ihr euch den Weg freischießen wollt?« fragte Samuel Ulfsson.
    Bei der Anrede »ihr« zuckte Carl zusammen. Das bedeutete, daß man ihn wie selbstverständlich einschloß. Er zögerte etwas, bis ihm einfiel, daß »ihr« vielleicht nur bedeutete »ihr von der Operationsabteilung« oder so etwas. Er verscheuchte seine Besorgnis.
    »Das ist natürlich eine Möglichkeit«, sagte er. »Ich glaube aber, daß uns noch etwas Besseres einfällt. Ich meine, wir müssen die Gegend ja vorher ordentlich erkunden, um

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