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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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schließlich.
    »Ich glaube, es ist so, wie er gesagt hat«, erwiderte Samuel Ulfsson mit fast eingeschnappter Miene. »Warum sollte es nicht so sein?«
    »Hör mal«, gluckste der Oberbefehlshaber, »ich denke nur daran, wie wir vorhin dagesessen und über Lastwagen und TIR-Schilder gesprochen haben. Ein Glück, daß er uns nicht zugehört hat. Das hätte unsere Aktien nicht gerade steigen lassen. Verdammt, so einfach. Luftlandetruppen, die vorherbestimmten Flugbahnen amerikanischer Marschflugkörper. Darum mußt du dich übrigens kümmern.«
    »Daß wir uns eine ihrer Flugrouten leihen? Nun, das werden sie uns bestimmt nicht verweigern. Ach, da ist noch etwas, was wir ihm nicht gesagt haben, eine Kleinigkeit.«
    »Was denn?« fragte der Oberbefehlshaber gespannt. Er glaubte keine Sekunde, daß es um eine »Kleinigkeit« ging.
    »Ich meine, daß alle menschlichen Gewebereste zerstört werden sollen«, sagte Samuel Ulfsson mit einer Grimasse des Abscheus. »Aber ich nehme an, daß das eine spätere Frage sein wird.«
    »Ja«, bestätigte der Oberbefehlshaber, »das vertagen wir auf später. Und dann haben wir also einen Regierungswechsel. Hast du eine andere Idee, oder sollen wir so vorgehen, wie ich es vorgeschlagen habe?«
    »Nein, nein«, erwiderte Samuel Ulfsson und zündete nach einem kurzen fragenden Blick zu seinem Chef seine erste Zigarette an, »für mich hört sich das absolut okay an. Wir bereiten die Operation vor, analysieren alle Schwierigkeiten, errichten in Finnland vielleicht eine Basis, vielleicht auch nicht. Jedenfalls kann es nicht schaden, daß du möglichst viele konkrete Dinge darlegen kannst, wenn du den neuen Verteidigungsminister triffst. Wer wird es übrigens? Was meinst du?«
    »Keine Ahnung. Torbjörnsson vielleicht?«
    »Dieser Immobilienfritze aus Göteborg? Das glaube ich nicht. Der dürfte wegen seiner Skandale zu belastet sein. Es hat über ihn schon zuviel in den Zeitungen gestanden. Am interessiertesten dürfte wohl der Chef der Konservativen persönlich sein.«
    »Ja, aber der soll doch Ministerpräsident werden.«
    »Kann er nicht beide Jobs übernehmen?«
    »Woher zum Teufel soll ich das wissen? Ich habe noch nie einen Regierungswechsel erlebt, ich meine, jedenfalls nicht in einer Funktion, in der ich denen begegnen mußte. Du etwa?«
    »Nein. Beim letzten Mal war ich Kommandant von »Älvsnabben« und befand mich auf großer Fahrt. Jedenfalls eine lustige Überraschung, mit der du den neuen Verteidigungsminister verblüffen kannst, wer immer es sein wird.«
    Sie sahen sich kurz in der Augen, schüttelten gleichzeitig den Kopf und lachten los. Beiden fiel aber ein, wie unpassend dies angesichts des schauerlichen Ernsts der Sache war, was zugleich jede Neigung zur Heiterkeit erstickte.
    »Wie schon gesagt«, sagte der Oberbefehlshaber, »eine höllische Geschichte ist das.«
    »Ja«, bestätigte Samuel Ulfsson, »sogar ganz buchstäblich. Es ist wirklich eine Geschichte aus der Hölle.«
    Alexej Mordawin hatte eine Vorstellung von der Hölle erhalten. Nicht von dem endgültigen Weltuntergang, denn von dem hatte er eine schon längst in Fleisch und Blut übergegangene berufsmäßige Vorstellung, sondern jetzt ging es um die einfache menschliche Hölle. Unter anderem spielte dabei eine Rolle, daß er eine vollkommen sinnlose Arbeit leistete und dafür in amerikanischen Dollar unerhört gut bezahlt wurde. Er hatte achtundvierzig Stunden hintereinander als eine Art besserer Flußschiffer gearbeitet, na schön: als Schiffskommandant, und zwar auf einem gottverdammten Hebekran draußen im Fjord, der so ein paar gottverdammte alte Fregatten aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg hob. Braune, verrostete kleine Schiffsrümpfe, die ihrer letzten Ruhe entrissen wurden, und das ohne jeden Nutzen. Sie hatten hohe Schornsteine, erinnerten an alte Marinegemälde; senkrechte Vordersteven, Schaumkronen vor dem Bug, Schiffe, die unter der roten Fahne vorwärtsdampften.
    An den letzten Tagen waren zwanzig oder dreißig Zentimeter Schnee gefallen, der erste nasse, schwere Schnee. Bis jetzt lag die Temperatur bei nur ein oder zwei Grad unter Null. Manchmal hatte sich Alexej Mordawin ein fast schönes Bild dargeboten – die kräftigen Scheinwerferkegel, die das Schneegestöber durchschnitten, die braunen, ächzenden, verrosteten Schiffsleichen, die eine nach der anderen von der übermächtigen Kraft eines Krans hochgehoben wurden. Der Kran war eigentlich dazu gebaut worden, versunkene U-Boote zu

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