Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
in der Jagdhütte sehr primitiv und feldmarschmäßig untergebracht. Mehrere seiner Jagdgenossen schnarchten.
    Wenn die sozialdemokratische Regierung morgen oder vielmehr heute die Reichstagswahl gewann, mußte man neu überlegen. Es war eine unmögliche Situation, erst um Erlaubnis zu bitten und dann ein Nein zur Antwort zu erhalten. Doch es war ebenso unmöglich, eine Antwort des jetzigen Verteidigungsministers vorherzusehen. Nun ja, der würde eine solche Frage kaum allein entscheiden, ebensowenig die jetzt zwei oder drei Minister, die schwerwiegende Entscheidungen treffen durften. Falls sie die Wahl gewannen.
    Wenn sie andererseits die Wahl verloren, würde die jetzige Regierung vermutlich noch geschäftsführend im Amt bleiben, während der Reichstagspräsident die nicht ganz leichte Aufgabe übernehmen mußte, die bürgerlichen Parteien dazu zu bringen, sich auf eine neue Regierung zu einigen. Der Oberbefehlshaber war wie alle Schweden unsicher, wie ein Machtwechsel über die Bühne zu gehen hatte, da dieser Fall so selten eintrat.
    Samuel Ulfsson vermutete, daß die Koalitionsverhandlungen mehrere Wochen in Anspruch nehmen könnten.
    Das waren mehrere Wochen eines Entscheidungsvakuums.
    Es durfte also nicht gezögert werden. Diese Wochen sollten praktischen Vorbereitungen gewidmet werden, um keine Zeit zu verlieren. Und wenn es einen neuen Verteidigungsminister gab, würde die Aktion für diesen armen Teufel eine der ersten Amtshandlungen sein, die er auf seinem Schreibtisch vorfand. Keine sehr beneidenswerte Situation. Doch so mußte es sein.
    Dieser Weg schien trotz allem leichter zu sein, als wenn alles beim alten bliebe.
    Was zum Teufel sollte man tun, wenn es ein Risiko gab? Wenn man etwa brav zur Regierung ging und fragte, ob man den USA, der Sowjetunion und dem Rest der Welt helfen dürfe, eine der größten Katastrophen der Menschheit abzuwehren, und wenn die Regierung nein sagte. Was dann?
    Sollte er mit der Öffentlichkeit drohen? Nein, aus Sicherheitsgründen unmöglich. Wenn sie ihr Vorhaben trotzdem durchführten? Das wäre an der Grenze eines Staatsstreichs, auf jeden Fall ein schweres Verbrechen. Wenn sie das Projekt in aller Stille durchzogen, ohne der Regierung etwas zu verraten? Oder erst nachträglich? Ein scheußlicher Gedanke, aber vielleicht die einzige realistische Verfahrensweise. Vorausgesetzt, Schweden blieb entweder das, was die Amerikaner »back up« nannten, womit dem Land erspart blieb, operatives Personal einzusetzen. Oder Schweden war tatsächlich gezwungen, es zu tun – und das mit Erfolg. Dann wäre es wohl einigermaßen erträglich, sich beim Verteidigungsminister einzustellen und zu berichten, was passiert war.
    Aber wenn es schiefging? Wenn schwedische Militärs auf russischem Territorium getötet oder gefangengenommen würden? Falls sie überlebten, würden sie nicht sagen können, worum es ging. Und die Russen würden dies aus einer Reihe selbstverständlicher Gründe ebenfalls nicht sagen – wobei ihnen allerdings das Problem blieb zu erklären, wie es möglich war, daß sich schwedische Militärs tief in der Taiga befanden.
    Doch was sollte er selbst dem grimmigen alten Gewerkschaftsboß sagen, wenn er zu ihm gerufen und um eine Erklärung gebeten wurde?
    Sehen Sie, Herr Minister, die Sache ist etwas komplizierter, als sie auf den ersten Blick zu sein scheint?
    Der Oberbefehlshaber konnte nicht beurteilen, wie schwierig die Operation in technischer Hinsicht war. Zunächst gab es auf schwedischer Seite ein Problem, das die Finnen nicht hatten, nämlich die Tatsache, daß es darum ging, auf das Territorium zweier anderer Staaten vorzudringen. Es mußte eine Menge Material nach Finnland geschmuggelt werden, und wenn auch nur ein einziger Zöllner Schwierigkeiten machte, konnte es eine Katastrophe geben.
    Nein, dieses Risiko mußten die Operateure übernehmen, Hamilton und die anderen. Dem Oberbefehlshaber schien es jedoch keine leichte Aufgabe zu sein, dreihundert Kilometer finnischen Territoriums zu überwinden, bevor man überhaupt die russische Grenze erreichte, an dieser Stelle übrigens einer der am besten bewachten Grenzabschnitte der Erde.
    Der Oberbefehlshaber verscheuchte die Gedanken an die operativen Probleme. Immerhin gab es Leute, die weit besser geeignet waren als er selbst, die praktischen Dinge zu bewältigen. Damit kehrte er zu den Alternativen zurück, die ihm blieben: ob er seine Regierung informieren oder nicht informieren sollte.
    Er wand sich in

Weitere Kostenlose Bücher