Niemandsland
gefragt.«
»Das ist natürlich ein Scherz?« fühlte er zweifelnd vor.
»Wann kannst du hier sein, damit ich weiß, was ich sagen soll?« entgegnete sie, ohne auf seine Frage einzugehen.
»Ich kann das Mädchen nicht allein hier lassen, das ist gegen ihre Vorschriften«, versuchte er.
»Dann bring sie mit. Wann kommst du?« drängte sie.
»In einer Viertelstunde«, seufzte er und legte auf.
Er verzichtete sicherheitshalber darauf, der Kleinen den Overall überzustreifen, entschuldigte sich und nahm Johanna Louise auf den Arm. Als er hinausging, fühlte er sich von vorwurfsvollen und fragenden Blicken durchbohrt.
Eine gute Viertelstunde später erschien er mit Johanna Louise auf dem Arm beim Oberbefehlshaber des Landes. Der OB und Sam saßen in der Sofagruppe und wirkten weniger bestürzt, als er erwartet hatte.
»Schnuppertag in der Kita«, sagte er mit einem entschuldigenden Lächeln. Die Gesichter der beiden älteren Männer hellten sich auf. Es kam ihm vor, als fänden sie seine Lage eher komisch als störend.
»Jaja, mit Schnuppertagen ist nicht zu spaßen«, sagte der OB amüsiert und stand auf. Er trat zu Carl und sah Johanna Louise in die Augen. Er versuchte, sie unterm Kinn zu kitzeln. Das hätte er nicht tun sollen.
Das Mädchen ließ ein lautes Geheul hören, worauf der General erschrocken zurückwich. Carl ging im Zimmer auf und ab und schaukelte die Kleine, während er verzweifelt »Hoppe, hoppe, Reiter« vor sich hin summte.
Nichts schien zu helfen. Das laute Kindergeschrei hallte im Konferenzraum wider.
»Zum Glück sind wir nur Schweden hier. Wir können froh sein, daß ausländische Kollegen uns jetzt nicht zusehen«, sagte Samuel Ulfsson lachend.
Schließlich requirierte Carl verzweifelt Hilfe bei Beata. Als sie die Lage der drei Männer sah, brach sie in ein herzliches Lachen aus, das diese allerdings als fast höhnisch empfanden. Dann nahm sie Carl resolut Johanna Louise weg, worauf das Mädchen sofort zu weinen aufhörte, und verließ den Raum mit einem geschnaubten »Kerle und Kinder«.
Carl sank erleichtert auf einen der Sessel. Die beiden Vorgesetzten widmeten sich der Aufgabe, die Gesichtszüge zu glätten. Dann legte Samuel Ulfsson sehr kurz und fast im Telegrammstil die Lage dar.
Carl spürte, wie ihn zu frieren begann. Das war die erste Reaktion. Ein wachsendes Unbehagen, das ihm wie Kälte vorkam, kroch in seinem Körper hoch. Das, was Sam berichtete, war der Alptraum aller Alpträume, das, was unter gar keinen Umständen geschehen durfte.
Als Sam nach einigen Minuten fertig war, übernahm der OB die Initiative. Er erhob sich und ging zu einer riesigen Karte der Nordkalotte, die offenbar speziell für diese Konferenz angefordert worden war. Er nahm einen kleinen Zeigestock mit roter Spitze und legte diese auf russisches Territorium, ungefähr dreihundert Kilometer nördlich des Polarkreises.
»Hier!« sagte er und ließ den Zeigestock kreisen. »Hier liegt also das kritische Gebiet.«
Carl nickte. Er hatte verstanden.
»Nun«, fuhr der OB entschlossen fort, legte den Zeigestock hin und ging wieder zu seinem Sessel. »Jetzt haben wir ein paar Fragen. Angenommen, wir sollen jetzt ein back up organisieren, wie es die Amerikaner vorschlagen. Angenommen, es ist unsere Aufgabe, Ausrüstung und Personal in das kritische Gebiet zu transportieren.«
Er machte eine Pause und sah Carl fragend an, der mit dem Kopf nickte. Noch konnte er folgen.
»Um mal damit anzufangen: Was tun wir, um Material und Personal über finnisches Territorium zu transportieren? Wir gehen davon aus, daß wir mit den Finnen in dieser Sache nicht zusammenarbeiten können. Wie überwinden wir die russische Grenze, ohne die ganze Nordkalotte in Alarmbereitschaft zu versetzen? Wir haben schon über Fernlaster mit TIR-Schildern gesprochen, aber das ist ja nur das halbe Problem. Vorschläge, Hamilton. Was kannst du uns anbieten?«
Carl betrachtete eine Zeitlang die Karte, während die beiden anderen Männer ihn starr ansahen.
»Wir haben theoretisch drei Möglichkeiten: zur See, also mit einem U-Boot von Norden her, zu Lande mit dem Lastwagen oder aus der Luft«, begann Carl, während er überlegte. »An der russischen Eismeerküste Truppen und Material an Land zu bringen, wird unerhört schwierig. Es ist ihr bestbewachtes Seegebiet. Nicht einmal die Amerikaner spielen noch auf diesem Hinterhof. Und wenn wir auf dem Landweg kommen, bleiben wir an der Grenze hängen. Also dürfte es darum gehen, alles aus der
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