Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
konnte
durchaus verstehen, warum Hy ins Tal fahren und der Sache nachgehen wollte: Das
hier war seine Heimat. Er liebte sie, und er hatte ein Interesse daran, was mit
ihr geschah. Doch ich andererseits...
    Er kam aus dem Haus und lud ein Seil
und ein paar große Stablampen in den Landrover. »Kommen Sie mit einem
Achtunddreißiger zurecht?«
    Es war das Kaliber meiner eigenen
Pistole. Ich nickte und nahm den Colt, den er mir durch das Fenster reichte.
    Hy studierte meinen Gesichtsausdruck.
»Bedenken?«
    »Einige.«
    »Das hier ist nicht Ihr Kampf, McCone.«
    Ich zuckte mit den Schultern.
»Einerseits nicht. Aber andererseits schon.«
    Er nickte. »Dann machen wir uns auf den
Weg. Wir nehmen am besten diesen Wagen und den Morgan dazu, oder? Vielleicht
brauchen wir beide.«
    »Stimmt. Wir stellen sie im Mietstall
ab und machen noch kurz bei Hopwoods Museum halt, um noch einen Blick auf die
Karten zu werfen. Wir treffen uns dort.« Ich startete den Landrover.
    Die Nacht war kalt, und der Mond stand
hoch am Himmel. Wieder zeigte die Landschaft diese kristallklaren, scharfen
Kontraste. Ich fuhr die kurvige und holprige und stetig ansteigende Straße bis
zum Kamm über dem Tal hinauf. Wie gestern nacht schienen auch heute keine
Lichter herauf, und auf der Mesa markierten nur ein paar schwache
Sicherheitsleuchten den Maschendrahtzaun. Aber jetzt war ich mir des Lebens,
das dort in der Dunkelheit herrschte, nur allzu bewußt: auf der Talsohle Bayard
mit seiner Familie und die anderen Wüstenratten in ihren Höhlen und weiter oben
die Transpacific-Wachmannschaften in ihren Wohnwagen. Und ein aus dem
Gleichgewicht geratener Mann mit einem tödlichen Plan und mit einer
angsterfüllten Geisel in seiner Gewalt.
    Der Mond schien so hell, daß ich mit
Standlicht weiterfahren konnte. Im Rückspiegel sah ich, daß Hy das gleiche tat.
Im Leerlauf rollten wir den Hang in die Stadt hinunter und über die Hauptstraße
zum Mietstall. Doch als wir ankamen, stand schon ein Wagen darin, mit der Nase
zur Ausfahrt. Nach Bayards Beschreibung war es Hopwoods alter Lieferwagen. Ein
Lieferwagen in demselben Gelb wie der, den ich am Mittwoch zu Lionel Ongs Haus
hatte hinauffahren sehen und den ich für das Botenauto gehalten hatte.
    Ich blockierte das Stalltor mit dem
Landrover, und Hy stellte sich hinter mich. Die Hände am Revolver, näherten wir
uns vorsichtig dem Lieferwagen. Ich hielt die Hand an die Motorhaube: kalt. Hy
öffnete die Fahrertür und leuchtete mit der Taschenlampe hinein. Ich sah an ihm
vorbei.
    Im Lieferwagen lag lauter für wenig
pingelige Fahrer typisches Zeug herum: Papierschnitzel, zerrissene Landkarten,
zerdrückte Aluminiumdosen. Hinten fand ich eine zusammengeknautschte graue
Decke und ein paar dicke Stücke Seil.
    Hy und ich tauschten einen Blick. Ich
ging um das Fahrzeug herum, öffnete die Beifahrertür und beugte mich hinein, um
besser sehen zu können. Auf dem Boden vor dem Sitz ein zusammengeballter
Lappen. Ich hockte mich hin und schnupperte. Er roch ein bißchen medizinisch.
Mit einem Taschentuch öffnete ich das Handschuhfach. Drinnen lag eine Flasche:
Chloroform.
    »Wir sollten lieber nichts anrühren.«
Meine Stimme klang sehr laut. Zwischen den Dachbalken über uns protestierte ein
Vogel.
    Hy gab keine Antwort. Als ich mich
aufrichtete, sah ich ihn über den Fahrersitz gebeugt. Sein Blick war starr auf
etwas gerichtet, das in einer Rille neben dem Kardantunnel klemmte. Ich ging
hinten um den Wagen herum, um es besser erkennen zu können.
    Es waren ein paar schwere goldene
Glieder, die aussahen, als seien sie aus einer Kette herausgerissen. So eine
massive Goldkette hatte ich erst kürzlich gesehen. Natürlich — es war das
Uhrarmband, das Ong getragen hatte, als ich ihn interviewte.
    »Na also, da hätten wir unseren
Beweis«, sagte ich. »Sie stammen von Ongs Uhrarmband. Die Seilstücke, die
Decke, diese Glieder — außerdem liegt vorn auf dem Boden ein Lappen und im
Handschuhfach Chloroform. Hopwood hat ihn gekidnappt.«
    »Sagten Sie nicht, er könnte sich für
einen Boten mit Verträgen aus Ongs Büro ausgegeben haben?«
    »Ja.«
    »Na also. Hier ist noch mehr
Beweismaterial.«
    Ich ging um den Lieferwagen herum und
sah mir an, worauf er deutete. Im Fach an der Fahrertür steckte eine
Dienstmütze mit der gestickten Aufschrift »Ace Botendienste«. »Also hat Ong ihn
wirklich für einen Boten gehalten«, sagte ich. »Er muß eine Waffe gezogen
haben, sobald er durch das Tor war — ich habe Ong rufen

Weitere Kostenlose Bücher