Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
nicht nur gegenüber dem Mann, den ich liebte, sondern auch
gegenüber den anderen Menschen, an denen ich hing. Und aus dem Schuldgefühl
wurde Angst. Angst ist ganz normal, sagte ich mir.
    Doch hinter diesen Gefühlen wurden mir
noch andere bewußt, die nicht annähernd so leicht zu akzeptieren waren. Zuerst
waren es rein körperliche Empfindungen: Meine Haut kribbelte. Feine Gerüche
wurden intensiver. Ferne Geräusche verstärkten sich. Meine Sicht wurde
schärfer. Dann spürte ich, wie eine Erregung in mir aufkeimte und mich
durchflutete, stärker als die Wirkung einer Droge. Sie kam einer Euphorie näher
als alles, was ich bisher erlebt hatte.
    Jetzt wußte ich: Es war die Gefahr, die
mich erst voll zum Leben erweckte. Sie zu überwinden und mit ihr meine eigene
Angst, gab mir die Rechtfertigung, weiterzumachen mit dem, was ich tat — auch
angesichts eines zunehmenden Gefühls der Vergeblichkeit. Diese eigentliche
Wahrheit hatte ich vor George und den anderen verborgen gehalten, denn sie
hätten sie für eine beschämende Abhängigkeit oder Sucht gehalten. Aber Hy hatte
sie intuitiv erkannt und akzeptiert.
    Ich schob diese Gedanken beiseite und
nutzte den Schub, den sie mir gaben, für den Aufstieg auf die Mesa.
    Die Nacht war so still, daß ich von der
Wachhütte oben Stimmen hörte. Nur rufende Stimmen, nichts Genaueres. Bedeuteten
sie, daß Hy die Transpacific-Mannschaft überredet hatte, ihre Posten zu
verlassen? Oder riefen sie ihm zu, er solle verschwinden?
    Nach einigen Minuten wurden die Stimmen
leiser. Ich sah hinauf und stellte fest, daß die Sicherheitsleuchten nicht mehr
zu sehen waren. Also hatte ich wohl den äußersten nördlichen Bereich der Mesa
erreicht. Sie war hier von einem Felsenmeer begrenzt. Die Brocken waren größer
und kantiger als die am Bach. Der Granit am Boden war glattgeschliffen. Ich
richtete die Lampe nach unten und sah Spuren, denen ich folgte.
    Die Spur stieg stetig an, bog dann nach
Osten und verlor sich. Ich ging denselben Weg zurück und suchte im Staub nach
weiteren Spuren. Doch ich fand nur meine eigenen Fußabdrücke. Und dann
schnitten sie sich mit anderen, die nicht von mir stammten.
    Ich richtete den Strahl der
Taschenlampe auf den Hang vor mir. Keine Öffnung zu sehen, nichts als nackter
Granit und ein Haufen herabgestürzter Felsbrocken. Ich trat näher und
untersuchte die Lage der Steine. Irgendwie wirkten sie zu künstlich arrangiert.
    Ich tat noch einen Schritt auf sie zu,
nahm die Lampe in die linke Hand und zog den Colt aus dem Gürtel. Ging um den
Haufen herum. Er reichte nicht ganz bis an die Felswand, sondern ließ einen
Streifen von gut einem halben Meter frei. Und dahinter öffnete sich ein Loch in
Form eines A, ungefähr einen Meter hoch.
    Ich knipste schnell die Lampe aus und
trat auf den schmalen Streifen. Lauschte. Nichts zu hören. Darauf ging ich in
die Hocke und spähte in das Loch. Völlige Finsternis. Mit der Hand tastete ich
den Boden ab, fand einen Kieselstein und warf ihn in die Öffnung. Er sprang
laut gegen offenbar felsige Wände und Böden. Ich wartete, bis wieder Stille
herrschte.
    Schließlich schaltete ich die Lampe
wieder ein und leuchtete in die Öffnung. Vor mir lag ein niedriger, enger
Stollen. Die Kerben im Gestein waren frisch und roh. Der Stollen war etwa zweieinhalb
Meter lang und ging dann in eine größere Höhlung über. Im Schein der Lampe
rundherum nur Felsgestein.
    Ich biß mir auf die Lippe. Richtete
mich auf und dachte nach. Inzwischen hatte Hy diese Männer von der Mesa
geschafft — wenn sie sich denn bereit erklärt hatten zu gehen. Wie lange
brauchte er, bis er wieder zu mir gefunden hatte?
    Lange. Vielleicht würde er auch gar
nicht kommen.
    »Verdammt«, flüsterte ich.
    Ich habe nur wenige Phobien. Zum
Beispiel hatte ich immer Angst vor Vögeln. Doch die lernte ich so weit zu
beherrschen, daß ich mich im Zoo ins Vogelhaus wagte. Spinnen, große Höhlen,
weite offene Plätze — die machen mir nichts aus. Sperrt mich in einen Schrank,
und ich kann mich stundenlang vergnügen! Was ich dagegen überhaupt nicht
ausstehen kann, ist der Gedanke, durch einen engen Gang kriechen zu müssen. Wie
durch diesen Stollen.
    Na ja, sagte ich mir, Pech gehabt.
Durch diesen Stollen mußt du einfach.
    Ich schob die Waffe wieder in den
Gürtel, und zwar etwas weiter nach hinten, wo nichts gegen sie drückte. Trat
wieder vor den Steinhaufen und legte ein paar Steine als Markierung für Hy
aufeinander. Dann ließ ich mich auf Hände

Weitere Kostenlose Bücher