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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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schob sich das Haar aus der
Stirn und ließ die Hand auf dem Kopf ruhen. »Da war die Rede von einem
Erdbeben. Und Blut. Ich kann es nicht so zitieren wie er, aber es war etwas vom
Mond und vom Meer, das zu Blut wird, und von der Sonne, die sich verdunkelt,
und von einem Berg, der brennt.«
    »Noch etwas?«
    »Als er ging... Das habe ich nur noch
vage im Gedächtnis, weil ich Schmerzen und so etwas wie einen Schock hatte. Er
sagte etwas in der Art: ›Sie werden sterben, wie Christus starb, am fünften
Tag.‹ Ergibt das für Sie einen Sinn?«
    Ich sah Rose an. »Hopwood las in
jüngster Zeit die Offenbarung, wenn Ihnen das hilft.«
    Sie stand auf, ging zum Schreibtisch in
der Lobby und kehrte mit einer Bibel zurück. Als sie sich setzte und das letzte
Buch der Heiligen Schrift durchblätterte, seufzte Margot und ließ die Hand vom
Kopf an ihre Seite herabfallen. Die Augen hielt sie halb geschlossen, und ihr
Gesicht war schlaff, als hätte sie mit der Schilderung der letzten
gewalttätigen Begegnung mit ihrem Vater alle Kraft verbraucht, die ihr noch
geblieben war.
    Nach ein paar Minuten sah Rose auf, ihr
Gesicht leuchtete rosig vor Freude über die Entdeckung. »Offenbarung sechs,
zwölf«, sagte sie. »›Da ward ein großes Erdbeben, und die Sonne ward finster
wie ein schwarzer Sack, und der Mond ward wie Blut.‹«
    Ich wartete. Rose schien von meiner
Reaktion enttäuscht und überflog die Seiten noch einmal, wobei sie stumm die
Lippen bewegte.
    Ich stand auf und ging unruhig im Zimmer
auf und ab. Verdammt noch mal, das, was sie mir vorgelesen hatte, sagte mir
nicht das geringste, aber Hopwoods Wüten mußte in einem Zusammenhang mit seinen
weiteren Plänen bezüglich Ong stehen...
    »Hören Sie hier«, sagte Rose.
»Offenbarung acht, acht: ›Und es fuhr wie ein großer Berg mit Feuer brennend
ins Meer, und der dritte Teil des Meeres ward Blut.«‹
    Und? Ich sah zu Margot hinüber.
Vielleicht ergab sich für sie ein Sinn daraus, aber ihre Augen waren jetzt ganz
geschlossen. »Was soll das mit diesem fünften Tag?« fragte ich Rose.
    Sie schenkte mir einen Blick, als wäre
ich ein armes Heidenkind. »Wie Christus starb, am fünften Tag‹« zitierte sie
Hopwood. »Christus starb am Karfreitag. Gott vollendete am siebten Tag seine
Werke und ruhte am siebten Tag — am Sonntag.«
    »Freitag. Das ist heute.« Und wie ging
es weiter? »Sie werden sterben.« Mir fiel das andere Zitat aus der Offenbarung
ein, das ich in Hopwoods Bibel gelesen hatte: »Der Teufel, der sie verführte.«
    Dann dachte ich über Hopwood nach,
einen Mann, dem ich nie begegnet war, den ich aber in gewisser Hinsicht sehr
genau kannte: ein einsamer Mann, seit einiger Zeit durchdrungen von der
biblischen Kunde von Untergang und Erlösung. Ein Mann, der beherrscht war von
einer übermächtigen Leidenschaft — und den man betrogen und seiner Passion
beraubt hatte.
    Und mir ging durch den Kopf: Ein Berg mit Feuer... ein
feuerspeiender Berg... am fünften Tag...
     
     
     

27
     
    Ich fuhr direkt zum Wohnwagen der
Friends und erzählte Hy, was ich vermutete. Zuerst meinte er wieder, ich hätte
wohl etwas Verbotenes geraucht. Doch als ich ihn an die Karten in Hopwoods
»Museum« und die Reste der Dynamitkiste erinnerte, die ich auf dem Abfallhaufen
entdeckt hatte, wirkte er ernüchtert und fiel in nachdenkliches Schweigen.
    Schließlich sagte er: »Es paßt
irgendwie zu einem Sachverhalt, auf den ich gekommen bin, als ich mich heute
abend in der Stadt nach dem alten Knaben erkundigte. Er ist die ganze Zeit über
hier gewesen. Wir haben nur an den falschen Stellen nach ihm gesucht.«
    »Wie ist das möglich?«
    »Denken Sie mal nach, McCone. Bevor Sie
hier ankamen, hatte ich in seiner Hütte nachgeschaut und die Leute im Stone
Valley gefragt, ob sie ihn gesehen hätten. Dadurch kam ich zu dem Schluß, daß
er fort war. Sie taten das gleiche, und nachdem sie mit Lily Nickles geredet
hatten, nahmen Sie an, er sei über die Staatsgrenze zum Spielen gefahren. Sogar
als Sie erfuhren, daß er sich in Reno nicht hatte blicken lassen und daß Rose
und der alternde Hippie ihn hier in der Gegend gesehen hatten, blieben wir weiter
der Meinung, er müsse irgendwo anders sein und nicht gerade hier. Aber heute
abend habe ich herausbekommen, daß er ziemlich regelmäßig im Swifty Mart ein
und aus gegangen ist und sich außerdem hin und wieder an der Tankstelle gezeigt
hat.«
    »Wann?«
    »Im Swifty Mart dreimal im letzten
Monat, was normal für ihn ist. An der

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