Niemandsland
die
Ansaugmaschine vorsichtig ans Ufer. Ich half ihr, sie die Böschung
hinaufzuschieben, und dann half sie mir herauf. »Setzen Sie sich dort drüben
hin«, sagte sie und zeigte auf den ›Schlafenden Elefanten‹. »Und gehen Sie in
den Schatten — die Sonne bringt einen heute um.«
Während ich mir den Weg durch die
Findlinge bahnte, bückte sich Lily Nickles, zog an einem anderen Kunststoffseil
und fischte einen Sechserpack ›Coors‹ aus dem Bach. Sie nahm zwei Dosen heraus
und versenkte den Rest wieder im Wasser. Als sie herüberkam und mir eine Dose reichte,
ging mir durch den Kopf, wie die Kollegen von All Souls bei all ihrem grimmigen
Liberalismus sich winden würden, sähen sie mich eine Marke trinken, die sie
selbst boykottierten. Na ja, meine grimmigen Liberalen waren eben nie in der
flirrenden Hitze eines frühen Nachmittags im Stone Valley gewesen...
Lily und ich saßen zu Füßen des
Elefanten auf einem flachen Stein, den Rücken gegen seine kühle Flanke gelehnt.
Der Schatten war angenehm und auch das kalte Bier. Ich nahm einen großen
Schluck und sagte: »Also, erstens erzählen die Leute von der Coalition, Sie
hätten nie von Franklin Tarbeaux gehört, dem Mann, der der Transpacific
siebenhundert Acre verkauft hat.«
Sie kippte das Bier in sich hinein und
schüttelte den Kopf. »An den Namen würde ich mich erinnern. Auch an den von dem
Kerl, dem das jetzt alles gehört. Würde verdammt was drum geben, ihn
kennenzulernen.«
»War Ihnen bewußt, daß der Ostteil der
Mesa einem Privatmann gehört hat?«
»Eigentlich nicht. Es war mir nicht bewußt, daß irgendein Privatmann das in den Fingern hatte — nicht
einmal, daß es überhaupt jemandem gehörte.« In spöttischem Ton setzte sie hinzu: »Meine Mine, deine Mine «, lächelte aber dabei, um ihren Worten die Schärfe zu nehmen. »Ich dachte, es
wäre öffentlicher Grund, wie sonst auch alles rundum.«
»Und der vermißte Schürfer Earl Hopwood
—«
»Wer sagt, daß er vermißt wird?«
»Hy Ripinsky sagt, daß ihn seit über
zwei Wochen niemand mehr gesehen hat.«
»Tatsächlich? Wie ich Earl kenne, ist
er drüben in Reno oder Carson City, treibt sich bei einer Hure herum und
verliert beim Blackjack alles, was ihm der Landverkauf eingebracht hat.«
»Verschwindet er öfters auf diese
Weise?«
»Oft genug. Earl ist neunundsechzig
Jahre alt, aber er ist noch scharf wie ein Ziegenbock. Aber außer mir gibt es
hier im Umkreis keine, auf die er überhaupt scharf werden könnte — und ich
würde diesen alten Sack nicht an mich heranlassen, selbst wenn sein Ding drei
Meter lang wäre.«
»Aber würde er denn ganze zwei Wochen
wegbleiben?«
»Wenn er flüssig genug ist — und das war
er nach dem Land verkauf ja wohl.«
Es konnte also sein, daß Hopwood nur
auf einer Sauf tour war. Aber ich hatte weiterhin vor, mich in seinem Claim
umzuschauen. »Hopwood stammt von den Leuten ab, denen ursprünglich die Mine von
Promiseville gehört hat?«
Sie nickte. »Die Familie kam irgendwann
Mitte des achtzehnten Jahrhunderts aus England oder sonst einem gottverdammten
Land, steckte ihren Claim ab und wurde reich.« Lily Nickles’ Augen nahmen einen
überraschend sanften und träumerischen Ausdruck an. »Das Haus, in dem ich jetzt
lebe — es hat ihnen gehört. Ist nicht so toll, wie wir uns das heute
vorstellen, aber man sieht von ihm aus noch immer über das ganze Tal...«
»Aus dem Grund habe ich es mir auch
ausgesucht«, setzte sie einen Augenblick später hinzu. »Es bringt Glück. Wenn
ich im Haus von reichen Leuten lebe, dann werde ich eines Tages vielleicht auch
reich.«
Die Frau interessierte mich, darum
änderte ich meine Fragetaktik. »Was ist mit Ihnen, Lily? Wieso sind Sie
Goldschürferin geworden?«
Sie trank ihr Bier aus, drückte die
Dose zusammen und warf sie zum Bach hinunter. Mit einem feinen ›Ping‹ landete
sie am Ufer. »Gab nicht viel, was ich sonst hätte tun können. Habe keine
besondere Schulbildung. Meine Mama war Kartengeberin in einem dieser lausigen Casinos
in Reno. Meinen Vater habe ich nicht gekannt. Wir wohnten bei meinen
Großeltern, und die lagen mir dauernd in den Ohren — tu was für deine Bildung,
besorg dir einen guten Job, heirate einen netten Kerl, der sich um dich
kümmert.« Sie grinste gemein. »Das Dumme war, daß ich zu gern herumzog. Ich war
gerade in der achten Klasse, als ich mich mit diesem Kerl zusammentat, der am
Strip arbeitete und eine Schürfausrüstung zusammenbekommen wollte. Wir
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