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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Valley ging es bergauf über
eine unbefestigte Straße. Das felsige Bergland war von Beifuß und Büffelgras
überwuchert. Parallel zur Straße floß ein Bach — schmal, flach und von
rotgoldenen Espen gesäumt. Im Hintergrund erhoben sich kahle, schneebedeckte
Berge, die im hohen Dunst bläulich schimmerten. Über ihnen zog ein Düsenjäger
von der Fallon Naval Air Station drüben in Nevada langsam seinen
Kondensstreifen durch den Mittagshimmel. Er war der einzige sichtbare Beweis
dafür, daß wir uns am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts befanden.
    Ich achtete scharfen Blicks auf
Schlaglöcher in der Straße und hielt den MG unter zwanzig Meilen
Geschwindigkeit. Nach mehr als vier Meilen ging die Straße in ein Wiesengebiet
mit hohem, braunem Gras über. Es war eingezäunt, und über die Pfähle lief oben
ein einzelner Strang Stacheldraht. Dann kam rechts ein aus grobem Holz gezimmerter
Pferch. Zwei Männer in Jeans — ihrem Aussehen nach mußten sie Nachkommen der
Paiute-Indianer sein, die hier lange vor der Ankunft der Euro-Amerikaner gelebt
hatten — trieben eine Herde Schafe zusammen. Hy Ripinskys Ranch-Arbeiter, nahm
ich an, denn er hatte gesagt, etwa fünf Meilen nach der Abzweigung vom Highway
östlich von Vernon käme ich zu seinem Besitz.
    Die Ranch selber tauchte nach der
nächsten Biegung auf. Die Gebäude lagen verstreut und ohne erkennbaren Plan.
Sie waren aus Kiefernholz und Steinen der Gegend gebaut. Der Morgan war in der
Stadt, wo ich Ripinsky vor einer halben Stunde im Wohnwagen der Coalition
verlassen hatte, aber ein Landrover stand zwischen einer riesigen
TV-Satellitenschüssel und einem baufälligen Schuppen. Ich sah mir den Rover im
Vorbeifahren mißtrauisch an, weil mir der Geländewagen einfiel, der am Abend
zuvor über die Kalisalz-Ebene davongefahren war. Dann zuckte ich mit den
Schultern. Mein Stab an Verdächtigen würde ganz schön groß werden, wenn ich
anfing, sie danach auszuwählen, ob sie ein Auto besaßen, das sich für die
Gegend um den Tufa Lake eignete. Außerdem hätte Ripinsky wie der Teufel fahren
müssen. Das war auf dieser Straße unmöglich, und schon gar in einem
tiefliegenden Wagen wie dem Morgan. Und danach hätte er sich dann in den
Landrover schwingen und weiter in den Tuffstein-Wald fahren müssen.
    Nach ungefähr einer weiteren Meile
stieg die Straße wieder an, diesmal in Serpentinen. Auf der einen Seite
Felswände, auf der anderen steinige Abhänge. Unten schlängelte sich der Bach
und glitzerte silbern auf, wenn er durch Stromschnellen schoß. Ich zog den
Wagen vorsichtig um eine besonders scharfe Kurve, und dann lag das ganze Stone
Valley vor mir.
    Ich fuhr an den Straßenrand und sah mir
das Panorama an. Ich hatte zwar nichts Bestimmtes erwartet, aber ich wußte, daß
es das hier nicht war. Das Tal war deprimierend kahl. Kein Baum wuchs hier,
kein Grashalm. Das einzig Lebendige waren der Beifuß und das Büffelgras, die
sich an die düsteren Hänge klammerten. Die Stelle, an der die Mine geplant war,
war leicht an dem neuen Maschendrahtzaun oben auf einem Flachstück der Mesa im
Osten zu erkennen. Es gab nichts, das sich bewegte, weder dort oben noch im
Tal. Selbst das Wasser im Bach schien stillzustehen. Und verstreut über den Talboden
standen Reste von Häusern, die zusammen einmal Promiseville — Stadt der
Verheißung — geheißen hatten.
    Jetzt gab es hier keine Verheißungen
mehr. Nur noch etwa zwei Dutzend kleine, verwitterte Holzhäuser mit rostigen
Blechdächern. Die meisten von ihnen standen zusammengedrängt in der Mitte, ein
paar auch planlos verstreut am Osthang in Richtung der Reste einer alten
Stampfmühle. Die Mühle war eingefallen und nicht mehr als ein Haufen morsches
Holz und verbogenes Metall. Trümmer lagen über den Hang verstreut. Die Straße,
die an ihnen vorbei zu dem Maschendrahtzaun führte, war offenbar erst kürzlich
planiert worden.
    Ich lenkte den MG wieder auf die
Fahrbahn und setzte meine Fahrt ins Tal fort, vorbei an einem Bergfriedhof mit
vom Wind geschliffenen Grabsteinen und einem umsinkenden Eisenzaun. Auf einem
Grabstein hockte ein rotschwänziger Falke. Er beobachtete auch mich mit
scharfem Blick, als ich vorüberfuhr. Die unbewegte Luft hier war heiß, die
Stille unnatürlich und bedrückend. Ich weiß nicht, was mich eher verstört
hätte, hätte ich hier gelebt: die jahreszeitlich bedingten extremen Wechsel von
heiß und kalt oder diese schreckliche Stille. Sooft ich auch die Nase über den
Smog und den Lärm von

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