Niemandsland
Reifen und Federung meines MG lieber nicht zu riskieren. Ich ging
wieder hinab und folgte dem Bachbett. Das Wasser war flach und voller Steine
und die Strömung so träge, wie sie von der Straße aus gewirkt hatte. Am Ufer
lagen Abfälle: Geräte aus früherer Zeit, verrostete Behälter, Werkzeug und
dazwischen modernerer Unrat wie Bierdosen, Patronenhülsen und Styroporbecher.
Ich mußte ein paar weitere Ruinen hinter mich bringen — eine bestand nur noch
aus einer zerbröckelnden Ziegelmauer und den Grundmauern dann sah ich das
Findlingsfeld auf der anderen Seite des Bachs. Hinter einem Block von der
Gestalt und Größe eines schlafenden Elefanten war das Tuckern eines
Benzinmotors zu hören, und dazu rauschte so laut Wasser, daß es sich nicht um
den Bach selbst handeln konnte. Ich beschleunigte meine Schritte, bis der
Felsbrocken mir nicht mehr den Blick verstellte.
Die Tiger-Lily stand bis zu den Knien
im Wasser. Neben ihr schwamm im Schlauch eines LKW-Reifens eine sonderbar
aussehende Maschine. Zwei Röhren ragten von ihr ins Wasser, und gleich neben
dem Motor war ein Apparat aus Aluminium angebracht, der wohl als Spülbox diente
und Wasser spie. Lily Nickles trug ein türkisfarbenes Trägerhemd und
ausgebleichte, abgeschnittene Jeans. Beide waren dunkel vor Nässe, und das
kurzgeschorene braune Haar klebte ihr am Kopf. Der Motor machte solchen Lärm,
daß sie mich nicht hörte, als ich sie anrief.
Ich setzte mich ans Ufer, zog
Turnschuhe und Socken aus und rollte die Jeans hoch. Als ich ins Wasser stieg,
war die eisige Kälte wie ein Schock nach der Mittagshitze draußen. Die Steine
unter meinen nackten Füßen waren vermoost und glitschig. Lily Nickles bemerkte
mich, als ich auf sie zu watete.
Über den knatternden Motor hinweg
schrie sie: »He, Sie, raus da!«
Ich ging weiter.
»Haben Sie nicht gehört, verdammt
nochmal? Gehen Sie aus meinem Bach!« Sie ballte eine Faust und schüttelte sie
zornig.
»Nun mal langsam, Lily.«
Sie runzelte die Stirn, offensichtlich
überrascht, daß ich ihren Namen kannte. Dann rollte sie wütend die Augen, griff
nach unten und schaltete den Motor ab. In der plötzlichen Stille schien das
Wasser aus dem Aluminiumbehälter noch lauter zu rauschen.
»Was, zum Teufel, wollen Sie?« fragte
Lily Nickles mit Nachdruck.
»Mit Ihnen über das reden, was Sie Hy
Ripinsky erzählt haben. Ihre Beobachtungen im Minenbereich der Transpacific.«
Ihre Augen wurden schmal. »Hat dieser
verdammte Bäumefetischist Sie geschickt?«
»Genau.« Ich nannte meinen Namen und
sagte, daß ich mit der Coalition zu tun hätte.
»Augenblick«, sagte sie. »Sie waren gestern
da — am Wohnwagen.«
»Ja.« Ich watete zu ihr und zeigte auf
die Maschine im Innern des Schlauchs. »Was ist das?«
»Eine hydraulische Ansaugmaschine.
Arbeitet wie ein Bagger.«
»Und macht was?«
»Saugt Kies hoch und siebt ihn.«
»Wozu?«
Sie starrte mich wütend an. »Von nichts
eine Ahnung, wie? Müssen zu diesen Baumfetischisten aus der City gehören. Wozu
siebt die wohl? Um Gold zu gewinnen. Gold ist schwer, das schwerste Metall, das
Sie hier wahrscheinlich finden. Es sinkt und bleibt in dem Gefäß hängen. Der Rest
wird wieder rausgeschwemmt.«
»Ich dachte, man wäscht Gold mit
Pfannen.«
»Das ist gut für Proben. Hilft einem,
den Fluß zu ›lesen‹ und zu sehen, welcher Kies die Mühe lohnt. Außerdem etwas
für Wochenend-Schürfer — meistenteils dumme Ärsche. Dieses Baby« — sie klopfte
zärtlich auf die Ansaugmaschine — »schafft fünfzigmal soviel Material an einem
Tag. Zudem kann ich es auf dem Rücken tragen.«
Lily Nickles musterte mich immer noch
eingehend, einen unangenehmen Zug um die trockenen, rissigen Lippen. Aber etwas
in ihrer Stimme verriet mir, daß sie insgeheim stolz war, ihre Erfahrungen zum
besten geben zu können. Ich sagte: »Sie sind also eine High-tech-Schürferin.«
»Nein, die High-techs, das sind die .« Mit dem Daumen wies sie über die Schulter in Richtung Osten auf die Mesa. »Ich?
Ich bin gerade mal froh, im letzten Jahr genug Nuggets herausgeholt zu haben,
um mir dieses Baby leisten zu können.«
»Können wir uns über die dort
unterhalten?« Ich nickte in die Richtung, in die sie gezeigt hatte.
Sie zögerte und sagte dann: »Warum
eigentlich nicht, zum Teufel? Ich kann eine Pause gebrauchen. Mögen Sie ein
Bier?«
»Gern. Danke.«
Lily Nickles faßte das Kunststoffseil,
mit dem sie den Schlauch an einem Stein festgemacht hatte, und zog
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