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Nietzsche und Wagner: Geschichte einer Hassliebe

Nietzsche und Wagner: Geschichte einer Hassliebe

Titel: Nietzsche und Wagner: Geschichte einer Hassliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Decker
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platziert zu haben.
    Wer den »Zarathustra« liest, als ob er für Richard Wagner geschrieben sei, für, nein gegen ihn, gegen den Schöpfer des »Parsifal«, versteht ihn augenblicklich. Er versteht alles vermeintlich Dunkle darin und auch das Überhelle.
    Zarathustra ist Friedrich Nietzsches Gegenfigur zu Parsifal.
    Daher der immer wiederholte Appell an unsere Weltkindschaft: Schluss mit der Abwanderung ins Jenseits, bleibt der Erde treu!
    Er porträtiert den idealen »Parsifal«-Hörer: Da sind die Schwind süchtigen der Seele: kaum sind sie geboren, so fangen sie schon an zu sterben und sehnen sich nach Lehren der Müdigkeit und Entsagung. 480 Er porträtiert ihre Tugenden: Wahrlich, ich mag sie nicht, die Barmherzigen, die selig sind in ihrem Mitleiden: zu sehr gebricht es ihnen an Scham. 481 Parsifals frohe Botschaft ist die alte; Zarathustras frohe Botschaft ist die vom Tode Gottes. Er predigt das Evangelium des Diesseits: Seit es Menschen giebt, hat der Mensch sich zu wenig gefreut: Das allein, meine Brüder, ist unsere Erbsünde. 482 Nun ist Nietzsche nicht der Erste, dem das alles auffällt, im Gegenteil, man darf ihn beinahe schon unter die Letzten rechnen. Aber als Religionspsychologe, als Mitwisser des Menschen steht er, steht Zarathustra über den meisten:
    Wehe allen Liebenden, die nicht noch eine Höhe haben, welche über ihrem Mitleiden ist!
    Also sprach der Teufel einst zu mir: »auch Gott hat seine Hölle: das ist seine Liebe zu den Menschen.«
    Und jüngst hörte ich ihn diess Wort sagen: »Gott ist todt; an seinem Mitleiden mit den Menschen ist Gott gestorben.« – 483
    Die Priester nennt er seine Feinde, doch man möge still an ihnen vorüber gehen und mit schlafendem Schwerte! Auch unter ihnen seien Helden, manche hätten zu viel gelitten: so wollen sie andere leiden machen.
    Böse Feinde sind sie: Nichts ist rachsüchtiger als ihre Demuth.
    … Ach, daß Einer sie noch von ihrem Erlöser erlöste! 484
    Das ist deutlich. Auch kritisiert er den Sound der Erlösung: Wer den Priestern nahe lebe, der lebt den schwarzen Teichen nahe, aus denen heraus die Unke ihr Lied mit süssem Tiefsinne singt.
    Bessere Lieder müssten sie mir singen, daß ich an ihren Erlöser glauben lerne und: erlöster müssten mir seine Jünger aussehen! 485
    Soweit der Musikkritiker der Erlösung. Friedrich Nietzsche wird immer glauben, dass es sich bei der Bosheit um ein Ingre dienz der Vollkommenheit handele. Und Richard Wagner hat ihm gesagt, die deutsche Sprache tauge nicht zur Eleganz, zum Virtuo sen? Und was wusste er vom Tanz? In seiner Musik: nichts.
    Was weiß Friedrich Nietzsche vom Tanz? Es ist schwer, ihn sich als Tänzer vorzustellen. Aber er ist ein Denker des Tanzes, schon aus Widerspruch zu Wagner. Der Tänzer erst bannt den Geist der Schwere.
    Der Staat ist die bevorzugte Organisationsform der Nichttänzer, die härteste Verkörperung des Geistes der Schwere. Auch an seine Überwindung denkt der Autor des »Zarathustra«, aber in welchem Bild: Dort, wo der Staat aufhört , – so seht mir doch hin, meine Brüder! Seht ihr ihn nicht, den Regenbogen und die Brücke des Übermenschen ? 486 Am Schluss des »Rheingoldes« ziehen die Götter so nach Walhall.
    Und dann, im letzten Teil des »Zarathustra«, lässt Friedrich Nietzsche Richard Wagner persönlich auftreten, unter dem Namen, den er ihm schon längst gegeben hat. Er ist der Zauberer.
    Doch man vergesse alle Spätporträts Wagners, man vergesse den Großkünstler, den Imperator, sonst erkennt man ihn nie. Auftritt Nietzsche, der Rächer:
    Als aber Zarathustra um einen Felsen herumbog, da sah er, nicht weit unter sich, auf dem gleichen Wege, einen Menschen, der die Glieder warf wie ein Tobsüchtiger und endlich bäuchlings zur Erde niederstürzte … 487 Auch Friedrich Nietzsche kann tödtlich beleidigen, auch er. Als er aber hinzulief … fand er einen zitternden alten Mann mit stieren Augen; und wie sehr sich Zarathustra mühte, daß er ihn aufrichte und wieder auf seine Beine stelle, es war umsonst. Hat er denn nicht versucht, Richard Wagner wieder zu Richard Wagner zu machen, hat er nicht sogar Bücher geschrieben für ihn? Aber der Unglückliche merkte gar nicht, daß Jemand um ihn sei; vielmehr sah er sich immer mit rührenden Gebärden um, wie ein von aller Welt Verlassener und Vereinsamter. Zuletzt aber, nach vielem Zittern, Zucken und Sich-zusammen-Krümmen, begann er also zu jammern:
    Wer wärmt mich, wer liebt mich noch?
    Gebt heisse

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