Niewinter 01 - Gauntlgrym
Zorn zu sehen. Bruenor hatte schon zu viel gesagt.
»Aber du hast ihn am Leben gelassen!«, fluchte der Zwerg und schlug mit der Faust auf die Armlehne.
»Ja, und du hast das Abkommen unterschrieben«, erinnerte ihn Drizzt mit ruhiger, beherrschter Stimme. Er wusste, dass er nicht brüllen musste, damit seine Worte ihre vernichtende Wirkung entfalteten.
Bruenor seufzte und stützte sein Gesicht in eine Hand.
Drizzt ließ ihn ein Weilchen schmoren, doch schließlich hielt er nicht länger an sich. »Du bist nicht der Einzige, der sich darüber ärgert, dass Obould so lange in Frieden gelebt hat«, sagte er. »Keiner hätte seinen Tod lieber gesehen als ich.«
»Aber wir haben es nicht getan.«
»Wir haben das Richtige getan.«
»Wirklich, Elf?«, fragte Bruenor ernst. »Jetzt ist er tot, und sie wollen weitermachen, aber ist es ihnen wirklich ernst? Wie lange wird der Frieden halten? Wann verwandeln die Orks sich wieder in Orks und zetteln den nächsten Krieg an?«
Drizzt zuckte mit den Schultern, denn auf diese Frage hatte er keine Antwort.
»Genau das ist es, Elf!«, kommentierte Bruenor seine Geste. »Du weißt es nicht, und ich weiß es nicht, aber du hast mir geraten, den verdammten Vertrag zu unterschreiben, und ich habe den verdammten Vertrag unterschrieben, und … wir wissen es nicht!«
»Aber wir wissen, dass viele Menschen und Elfen und, ja, Bruenor, auch Zwerge in Frieden und Wohlstand leben können, weil du den Mut hattest, den verdammten Vertrag zu unterschreiben. Weil du beschlossen hast, auf den nächsten Krieg zu verzichten.«
»Pah!«, schnaubte der Zwerg und riss die Hände hoch. »Und daran kaue ich nach wie vor herum. Verdammter stinkender Ork! Inzwischen treiben die Handel mit Silbrigmond und Sundabar und den verdammten Feiglingen von Nesmé! Wir hätten ihnen damals in der Schlacht den Garaus machen sollen, bei Clangeddin!«
Drizzt nickte, denn gefühlsmäßig stimmte er Bruenor durchaus zu. Doch sein Kopf wusste es besser. Nachdem Obould einen Waffenstillstand angeboten hatte, hätte Bruenors Sippe allein gegen Zehntausende gestanden. Diesen Kampf hätten sie nie gewinnen können. Nur wenn Oboulds Nachfolger beschloss, den Vertrag zu brechen, würde der daraus resultierende Krieg alle aufrechten Königreiche der Silbermarken gegen die Orks vereinen.
Auf dem Gesicht des Drow zeigte sich ein verschlagenes Grinsen, das allerdings zur Grimasse wurde, als ihm die vielen Orks einfielen, die er inzwischen beinahe zu seinen Freunden zählte. Währte dieser Friede wirklich schon fast vierzig Jahre?
»Du hast das Richtige getan, Bruenor«, erklärte er. »Weil du es gewagt hast, dieses Pergament zu unterzeichnen, hast du Zehntausende davor bewahrt, in einem blutigen Krieg viel zu früh ihr Leben zu lassen.«
»Noch einmal könnte ich das nicht«, erwiderte Bruenor kopfschüttelnd. »Ich bin verbraucht, Elf. Habe alles getan, was ich vermochte, und kann es nicht wiederholen.«
Er tauchte seinen Krug in das offene Fass zwischen den Sesseln und nahm einen großen Schluck.
»Glaubst du, er ist noch da draußen?«, fragte Bruenor mit Schaum am Bart. »Im kalten Schnee?«
»Wenn er noch lebt«, antwortete Drizzt, »dann ist Wulfgar jedenfalls da, wo er sein möchte.«
»Und ich wette, seine alten Knochen protestieren bei jedem Schritt gegen seinen Dickschädel!« Mit dieser Bemerkung sorgte Bruenor für das bisschen Leichtigkeit, das die beiden heute brauchten.
Drizzt lächelte, als der Zwerg kichern musste, doch ein Wort aus Bruenors Seitenhieb machte ihn nachdenklich. Alt. Er selbst war als langlebiger Drow in den letzten Jahren körperlich kaum gealtert. Falls Wulfgar dort draußen in der Tundra des Eiswindtals noch am Leben war, musste der Barbar auf die siebzig zusteuern.
Diese Erkenntnis traf Drizzt bis ins Mark.
»Würdest du sie noch lieben, Elf?«, fragte Bruenor. Er war zu seinem zweiten, verlorenen Kind gesprungen.
Drizzt sah ihn an, als hätte er ihm eine Ohrfeige verpasst. Ein nur zu vertrauter Anflug von Ärger legte sich über seine einst so ausgeglichenen Züge. »Ich liebe sie immer noch.«
»Wenn meine Kleine noch bei uns wäre, meine ich«, sagte Bruenor. »Sie wäre jetzt so alt wie Wulfgar, und viele würden behaupten, sie wäre hässlich.«
»Das hat von dir auch manch einer behauptet, sogar, als du noch jung warst«, entgegnete der Drow, um dieses absurde Gespräch zu beenden. Natürlich würde auch Catti-brie jetzt siebzig werden, wenn sie nicht vor
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