Night Academy 2
und senkte. Ob er mir wohl glaubte?
»Was heißt das denn für dich?«, fragte er schließlich. »Hast du mit dem Programm abgeschlossen, Dancia? Ist das deine Art, mir zu sagen, dass du aussteigst?«
Ich rutschte mit der silbernen Rettungsdecke über den Schultern vom Kissen und nahm auch seine andere Hand. »Nein«, sagte ich bestimmt. »Niemals. Begreifst du denn nicht? Wir werden etwas dagegen tun – du und ich und Trevor und Anna … « Als ich mich umblickte, stellte ich mit Erleichterung fest, dass die beiden anderen zustimmend nickten. » … und alle, die wir für unsere Sache gewinnen können.«
»Aber wir müssen klug vorgehen«, sagte Trevor. »Wir wissen nicht, wer noch dahintersteckt. Ich möchte nicht wie Ethan Hannigan enden.«
Ein sehr ernüchternder Gedanke. Ich wandte mich wieder Cam zu. Sein Gesicht war so ramponiert und geschwollen, dass ich nicht zu sagen vermochte, was er dachte. »Bist du … « Ich schluckte. » … dabei?«
»Er hat mir ein Zuhause gegeben«, sagte Cam. »Dafür werde ich ihm ewig dankbar sein. Aber ich bin auch nicht blöd. Er hat immer gesagt, er bräuchte jemanden, dem er vertrauen kann, aber im Grunde hat er nur jemanden gesucht, den er manipulieren konnte.« Cams dunkelbraune Augen, die ich so sehr liebte, waren voller Schmerz, und ich wünschte mir, ihm diesen Schmerz mit einer einzigen Berührung nehmen zu können. »Ich verbringe so viel Zeit mit ihm, dass ich manchmal nicht mehr weiß, ob etwas meine Idee ist, oder ob er mir den Gedanken in den Kopf gesetzt hat.« Er sah mich an. »Das war das Schlimmste in Washington. Irgendetwas stimmte nicht, aber die Stimme in meinem Kopf wollte mir immer einreden, dass alles in Ordnung sei. Deshalb habe ich dich anschließend auch so gebraucht, Dancia. Du bist mein Kompass. Wenn ich mit dir zusammen bin, kann ich Mr Judans Stimme aus dem Kopf vertreiben und in mein Herz sehen.« Er seufzte. »Du hast recht. So ungern ich es auch wahrhaben möchte, aber ich weiß, dass du recht hast.«
Ich lehnte mich mit dem Kopf an seine Schulter. »Wir lassen uns schon was einfallen, um ihn aufzuhalten«, sagte ich entschlossen.
»Und wenn er dahinterkommt, was wir vorhaben?«, fragte Cam. »Was dann?«
»Kommt Zeit, kommt Rat«, entgegnete Anna knapp, ihre Stimme erinnerte mich unheimlich an ihre Mutter. Mit dem blutigen T-Shirt, den eindrucksvollen Verletzungen im Gesicht – einschließlich einer Riesenbeule auf der Stirn – und dem entschlossenen Zug um den Mund sah Anna wie eine echte Kriegerin aus. »Ich würde jetzt allerdings gern erfahren, was mit unseren Mitschülern auf der Insel geschehen ist. Können wir dieses Gespräch vielleicht kurz unterbrechen und sie anfunken?«
»Klar«, sagte ich. Cam nickte, und Trevor drehte an den Kanälen herum. Zunächst war da nur ein Knistern, aber dann hörten wir eine Stimme.
»Wer ist da?« Das war Mrs Callias.
Cam sprach in den Empfänger: »Hier ist Cam, Mrs Callias. Anna, Trevor und Dancia sind auch bei mir.«
»Cam?« Einen Moment herrschte Stille in der Leitung. Dann sagte Mrs Callias leise: »Also hat sie es geschafft. Gott sei Dank.« Ein Freudenschrei ertönte auf der anderen Seite. Es hörte sich nach Esther an, wobei mir nicht klar war, wie sie es in die Nähe des Funkgeräts geschafft hatte.
»Erstatte Lagebericht, Cam«, sagte jemand mit tiefer warmer Stimme. Wir erschauderten. Das war Mr Judan. »Seid ihr unversehrt? Die Leitung wird möglicherweise abgehört.«
»Leichte Verletzungen«, sagte Cam. »Eventuell Unterkühlung. Beim Einlaufen werden wir Verstärkung brauchen.«
»Verstärkung?«, wiederholte Mr Judan.
»Wir haben Gäste an Bord«, sagte Cam und drehte uns den Rücken zu, als wollte er nicht, dass wir Zeuge seines inneren Konflikts wurden. Ich drückte seinen Arm in der Hoffnung, ihm damit meine Unterstüzung zu signalisieren.
»Seid ihr in Gefahr?«, fragte Mr Judan.
Anna und ich sahen uns an, sie presste die Lippen fest aufeinander – offenbar war ich nicht die Einzige, die Angst hatte, Cam könnte Ja sagen.
»Nein. Die sind außer Gefecht gesetzt.«
»Alle?«
Mit einem Blick auf mich sagte er zögernd. »Einer wird nicht zurückkehren.«
In der Aufregung hatte ich gar nicht mehr an Jack gedacht. Ich sah aufs Wasser, das jetzt so friedlich wirkte, und spürte tiefes Bedauern. Nicht so sehr über das, was ich getan hatte, als vielmehr darüber, wie Jack sich durch die Irin verändert hatte.
»Verstehe«, sagte Mr Judan.
»Können Sie uns
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