Night Academy 2
Selbstlosigkeit und Opferbereitschaft ging. Wir, die ehemaligen Kandidaten, verließen mit unseren Umhängen, die im Licht der Fackeln sanft in allen Braun-, Rot- und Grüntönen schimmerten, als Erste die Lichtung. Im Wald war es vollkommen dunkel, nur das Mondlicht fiel hier und da durch die Bäume. Ich sah mich nach Cam um, doch Mr Judan hatte ihn beiseitegenommen, also lief ich allein weiter.
Wir waren schon auf halbem Weg zur Schule, da kam eine rot gewandete Gestalt von ganz hinten zu mir nach vorn geeilt. »Herzlichen Glückwunsch, Dancia. Willkommen bei uns.«
Beim Klang der Stimme zuckte ich unwillkürlich zusammen. Schnell sortierte ich meine Gesichtszüge und setzte ein höfliches Lächeln auf. »Danke, Trevor.«
Obwohl Trevor Cams bester Freund ist, hat er mich schon immer nervös gemacht. Das liegt zum einen an seinem durchdringenden blauen Blick, durchdringend im wahrsten Sinne des Wortes, denn Trevors Begabung besteht in übermenschlicher Sehkraft. Er kann durch Wände sehen, zum Beispiel verborgene Waffen hinter verschlossenen Türen ausmachen. Dazu denke man sich einen rasierten Schädel wie beim Militär und einen dauerhaft finsteren Gesichtsausdruck, und schon hat man einen knallharten Typen vor sich.
Trevor und ich redeten kaum.
Wir liefen im Gleichschritt nebeneinander her, bis der Weg sich verjüngte und ich auf dem Tannennadel-Matsch-Mix ausrutschte.
Trevor hielt mich gerade noch am Arm fest. »Sei vorsichtig, sonst tust du dir noch weh.«
»Sorry. Meine Schuhe sind so glitschig.« Ich fragte mich, ob ich meinen Arm aus seinem Griff winden sollte, aber meine Lackschuhe hatten so gut wie überhaupt kein Profil, und somit war jeder Halt willkommen.
Schweigend gingen wir weiter. Mir war schon klar, dass er mir etwas sagen wollte, und je länger er schwieg, desto unruhiger wurde ich.
»Also … was hast du auf dem Herzen?«, fragte ich. »Willst du mir den geheimen Handschlag beibringen? Auf den habe ich ja eben vergeblich gewartet.« Ein lahmer Versuch meinerseits, ihm ein Lächeln zu entlocken.
»Nein«, sagte er. »Kein Handschlag. Ich wollte nur sagen, dass es mir leid tut. Das muss alles ganz schön viel für dich sein.«
Trevor hatte es gar nicht gefallen, dass mir Cam so früh von dem Programm erzählt hatte. Denn durch dieses Wissen wurde ich automatisch zur Zielscheibe, und offenbar sah es Trevor als seine Pflicht an, mich zu beschützen. Jedenfalls hatte er das gesagt, als er mich damals im November mit Cam in der Geheimbibliothek ertappt hatte.
Ich machte einen Bogen um eine besonders große Pfütze. »Das braucht dir nicht leidzutun. Ich freue mich. Ich kann es kaum abwarten, mit der Ausbildung zu beginnen.«
»Verstehe. Aber dir muss auch klar sein, dass jetzt, wo du dazugehörst, alles anders ist. Man wird einen anderen Maßstab anlegen.«
»Wie meinst du das?«
»In deiner Nähe geschehen immer die abenteuerlichsten Dinge. Dein Freund Jack ist just in dem Moment spurlos verschwunden, als sich in deiner Straße eine ›Naturkatastrophe‹ ereignet hat. Den Leuten fliegen Waffen aus der Hand, Reifen explodieren, Telefonmasten stürzen ein. Du musst lernen, deine Kräfte zu beherrschen, Dancia. Das wollte ich dir nur noch mal sagen.«
Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Cam und ich waren stillschweigend übereingekommen, kein Wort darüber zu verlieren, was ich in meiner Nachbarschaft angerichtet hatte. Natürlich waren die Schäden für jedermann sichtbar. Ein zehn Meter großes Loch in der Straße und mehrere umgekippte Telefonmasten waren ja kaum zu übersehen. Doch Cam war der Einzige auf der Night Academy, der spürte, wenn jemand seine Gabe einsetzte, und er hatte behauptet, nur Jacks Energie gefühlt zu haben. Ihm behagte das Lügen zwar gar nicht, aber es war uns beiden klar, dass es Jack nicht mehr geben würde, wenn wir ihm nicht zur Flucht verholfen hätten.
»Du meinst, der Krater geht auf meine Kappe?« Ich rang mir ein Lachen ab. »Wow, das wäre nicht schlecht!«
Trevor schob einen Zweig zur Seite. »Ich halte dich für ein gutes Mädchen. Aber das Programm übt wahnsinnigen Druck aus. Besonders bei Leuten mit deinen Fähigkeiten. Irgendwie geht das alles viel zu schnell.«
Flammende Röte schoss mir ins Gesicht. »Was willst du damit sagen? Dass ich nicht ins Programm gehöre?«
Trevor wandte sich halb zu mir um. Das Mondlicht hinter ihm verlieh seinem Haupt einen eisigen Lichtkranz. »Das habe ich nicht gemeint«, flüsterte er und sah sich
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