Night Academy 2
Zwölftklässler liefen nervös umher. Viele der Mädchen trugen schicke Schuhe und Kleider, ein Spurt kam für sie also nicht infrage. Die Oberstufenschüler schienen unschlüssig, ob sie sich an Mrs Callias ’ Anweisung halten oder auf eigene Faust zur Schule zurücklaufen sollten. Zögernd setzten sich ein paar in Bewegung.
»Wir wissen nicht, was dort vor sich geht. Es könnte gefährlich sein.« Mrs Callias funkelte die Jungen, die sich etwas abseits herumdrückten, böse an. »Bleibt hier! Das ist ein Befehl.«
Ich wartete, bis sie in einen Streit mit einem der Oberstufenschüler verwickelt war, und türmte durch den Wald. Hätte ich mich verstecken sollen, während anderswo gekämpft wurde? Außerdem war Anna dort. Und Cam. Was die konnten, konnte ich schon lange.
Zwar hatten meine Schuhe kaum Profil, dafür hatten sie aber auch keine Absätze, und das war allemal besser als barfuß im Dunkeln zu laufen. Also ließ ich sie an und rannte mit kurzen Schritten; bei einem Querfeldeinlauf hätte ich damit schlecht abgeschnitten, aber wenigstens landete ich so nicht auf dem Hintern.
Hinter dem Wald folgte der nasse, glitschige Rasen der Sportplätze. Von dort konnte ich in der Ferne die anderen ausmachen, der Abstand zwischen ihnen und mir wurde immer größer. Ich versuchte, einen Zahn zuzulegen, aber ihr Vorsprung war zu groß.
Als ich endlich die Schule erreichte, waren die meisten Schüler schon verschwunden, Cam, Trevor und Anna ebenfalls. Mr Judan stand mit verschränkten Armen auf der Marmortreppe des Hauptgebäudes. Durch die hohen Fenster fiel gleißendes Licht auf den roten Backstein und fing sich im nassen Gras. Drinnen durchsuchten Schüler des Programms die Klassenzimmer. Mr Fritz ging murmelnd auf dem Rasen auf und ab und fuhr sich unentwegt durchs weiße Wuschelhaar, während andere Schüler sich leise mit ihren Lehrern berieten.
Auf mich machte alles einen seltsam beruhigenden Eindruck. Nichts deutete auf eine Explosion hin, weder Rauchfahnen noch Trümmer waren zu sehen. Auf den Dächern lagen keine maskierten Scharfschützen, und es wurden auch keine Maschinengewehre aus einem Hubschrauber auf uns gerichtet. Wir waren einfach ein Haufen Schüler und Lehrer in komischen Gewändern.
Ich atmete tief durch, erholte mich von meinem unbeholfenen Dauerlauf und wandte mich an den einzigen Menschen, der offenbar nichts zu tun hatte.
»Mr Fritz?«
»Wie bitte?« Erschrocken fuhr er herum, schenkte mir aber sogleich ein Lächeln. »Ah, Dancia. Glückwunsch, meine Liebe. Wir sind ja so froh, dass du jetzt zu uns gehörst. Wirklich froh!«
»Danke.« Ich deutete auf das Hauptgebäude. »Weiß man schon, was passiert ist? War es eine Bombe?«
»Du liebe Güte, nein, eine Bombe war es nicht. Aber ganz genau wissen wir es noch nicht. Vielleicht schwere Feuerwerkskörper oder Sprengstoff.«
Ich überlegte einen Moment. »Sprengstoff? Aber ist das nicht das Gleiche wie eine Bombe?«
Mr Fritz kratzte sich am Kopf. »Weißt du, darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Ich weiß eigentlich gar nicht, wie eine Bombe genau definiert ist. Jedenfalls ist nicht viel Schaden entstanden. Von dem lauten Krach sind ein paar Scheiben zersprungen. Wahrscheinlich war es nur ein Streich.«
»Ein Streich?« Nervös rang ich die Hände. »Im Haupthaus?«
»Sie müssen durchs Haupthaus gekommen sein, um die Überwachungskameras auszuschalten«, sagte er. »Wir gehen davon aus, dass nichts fehlt. Die Schüler kontrollieren vorsichtshalber noch mal alles.« Nachdenklich starrte er das Gebäude an. »Merkwürdig, dass sie durch die Tore gekommen sein sollen, aber natürlich nicht unmöglich. Wir waren alle bei der Aufnahmezeremonie. So ungeschützt wie heute Nacht ist die Schule sonst nie. Zwar haben wir ein erstklassiges Sicherheitssystem, aber Technik lässt sich immer irgendwie austricksen. Jedes System hat seine Schwächen.«
»Und wie kommt man ungesehen an den Toren vorbei?«, fragte ich.
»Vermutlich sind sie bei der Geheimausfahrt über die Mauer. Der Teil des Geländes liegt im Dunkeln, damit wir keinen Verdacht erregen, wenn wir nachts die Garagen benutzen. Das erschwert allerdings die Überwachung.«
Das musste ich erst einmal sacken lassen. Bei all dem Gerede von Gestaltwandeln und Gedankenlesen, dem »Eulenflüsterer« und der zehn Meter hohen Feuerfontäne, hatte ich mir irgendwie eingebildet, dass die Night Academy eine Art magischer Kokon sei. Vielleicht nicht gerade mit Zauberei geschützt, aber
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