Night School 01 - Du darfst keinem trauen
und die Krankenschwestern richteten in einer Ecke des Saals eine Art Notaufnahme ein, wo die Schüler nach Verletzungsgrad sortiert wurden. Die Verletzten standen Schlange, um ihre Wunden verbinden, Verbrennungen begutachten und verstauchte Knöchel schienen zu lassen.
Der beißende Qualm in den Fluren war abgezogen. Stattdessen war die Luft nun erfüllt vom unterdrückten Schluchzen der Schüler und von den schonungslos geschäftsmäßigen Gesprächen des medizinischen Personals.
»Gib mir mal den Verband.«
»Der Knöchel muss gekühlt werden, hast du noch Eis?«
»Wir spritzen ein Antibiotikum.«
Lisa war immer noch bewusstlos und wurde von zwei schweigsamen Bediensteten auf die Krankenstation gebracht. Zunächst bestanden Jo und Allie darauf mitzukommen. Wie zwei aufgescheuchte Vögel schwirrten sie um die Trage. Doch Eloise überredete sie, im Saal zu bleiben.
Ihre Wangen waren rußverschmiert, und sie trug immer noch ihr kleines Schwarzes. Ihre Schuhe hatte sie schon längst irgendwo stehen gelassen, doch ihre Augen waren klar und sahen kein bisschen müde aus. »Ich verspreche euch, dass sie wieder auf die Beine kommt. Sie braucht jetzt Ruhe. Und wir brauchen hier unten eure Hilfe. Ich kann doch auf euch zählen, oder?«
Widerstrebend nickten die Mädchen, und Eloise schickte sie nach oben, damit sie sich das Blut abwuschen und andere Klamotten anzogen.
Während sie die Treppe hochgingen, wurde der allgemeine Tumult allmählich von der pechschwarzen Stille des Schlaftrakts verschluckt. Jo hielt Allies Hand. Allies Kopf pochte wie wild, und es rumorte in ihrem Magen. Gleich muss ich kotzen.
Als sie sich oben trennten, sagte Jo: »Hier sind wir doch sicher, oder?«
»Sonst hätte sie uns bestimmt nicht hochgeschickt«, erwiderte Allie, doch ihre Stimme klang unsicher.
»Okay. Aber lass uns schnell machen. Wir treffen uns im Waschraum.«
Allie öffnete langsam die Tür zu ihrem Zimmer und leuchtete in alle Ecken, um sicherzugehen, dass es leer war. Im Dunkeln kam es ihr fremd vor – als hätte es gar nichts mit ihr zu tun, als hätte jemand wahllos ihre Sachen im Raum verteilt. Hastig durchwühlte sie ihre Kommode und schnappte sich, was ihr an Kleidung in die Finger kam.
Die Duschkabine war kalt und dunkel und wurde nur von einer Taschenlampe erhellt, die Allie mithilfe von Jos silberfarbenen Kitten Heels stützte. Wie wild schrubbte sie sich das Blut vom Körper. Die Kälte und das Wasser sorgten dafür, dass sie einen klaren Kopf bekam. Es war, als würde sie sich die Erinnerung an die ganze Nacht abwaschen. Jo wartete bei den Waschbecken auf sie und schwenkte ihre Taschenlampe. Ab und zu riefen sie nach einander, um sich rückzuversichern, dass es der anderen gut ging.
»Lebst du noch?«
»Ja. Und du?«
»Glaub schon.«
Als sie fertig geduscht hatte, ließ Allie das ruinierte weiße Kleid und die glitzernden Silberschuhe in der Umkleide zurück.
Gemeinsam mit Jo hastete sie nach unten, wo sich die panische Stimmung in grimmige Entschlossenheit verwandelt hatte.
Die Lichtkegel der Taschenlampen tanzten über die Flure, während die Schüler die angekokelten Möbelstücke aus dem Ballsaal schleppten. Draußen vor dem Hintereingang wummerte stetig ein Generator, und über die Gänge schlängelten sich dicke, schwarze Kabel in den Rittersaal, wo die Bogenlampen, denen sie Strom lieferten, den immer noch schwelenden Raum in ein unwirkliches Licht tauchten.
Mit Klemmbrettern bewaffnete Lehrer koordinierten die Arbeiten. Manche standen auf Stühlen und riefen Anweisungen, während andere sich grüppchenweise an den Rand des Saals zurückzogen, wo sie sich flüsternd unterhielten.
Jo und Allie standen nebeneinander und ließen ihren Blick durch den Raum schweifen.
»Lass uns mal nach Eloise Ausschau halten«, sagte Allie mit wackeliger Stimme.
Doch anstelle der Bibliothekarin fanden sie Isabelle, die auf einem gefährlich wackeligen Stuhl stand und den umherlaufenden Schülern und Lehrern in ruhigem Tonfall Anweisungen gab. Ihr weißes Kleid war rußverschmiert, aber ansonsten tadellos. Nur die Haare hatten sich aus den Klammern gelöst und fielen nun in Wellen über ihre Schultern. Sie wirkte erleichtert, als die Mädchen auftauchten – vor allem, als sie Allie sah.
Sie ging in die Hocke, um Allies Hände zu ergreifen, und zog sie zu sich heran. Sie sprach so leise, dass nur Allie sie hören konnte. »Es tut mir so leid, dass du das hast sehen müssen. Ist alles in Ordnung mit dir?«
Als
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