NIGHT SHOW - Thriller (German Edition)
los, duckte sich vor dem Fenster, schulterte die Schrotflinte und feuerte. Der Knall betäubte Danis Ohren regelrecht. Die Fensterscheibe zersprang in tausend Stücke. Die Schrotladung schlug in Ingrids rechte Gesichtshälfte und die Stirn von Michael ein, während er ihren Hals küsste. Die Latexhaut der beiden Puppen löste sich in Matsch auf. Ingrids Auge verschwand. Eine rote, klumpige Masse explodierte aus beiden Köpfen, als die zwei Attrappen vom Fenster nach hinten geschleudert wurden.
»Schnitt, Schnitt! Wunderbar!«
»Nicht übel«, meinte Michael.
Dani wurde bewusst, dass sie sich die Seite des Gesichts hielt und ein Auge zugekniffen hatte. Rasch senkte sie die Hand. Ihre Finger zitterten.
Sie eilte zu Jack. Er bückte sich, um die verbrauchte rote Patrone aufzuheben.
»Toller Schuss«, lobte Dani. »Mitten ins Schwarze.«
Er richtete sich auf und drehte sich zu ihr um. Die Patrone ließ er in die Hosentasche fallen. »Wie ich gesagt habe – echt krass.«
Er reichte Bruce, dem Requisiteur, die Schrotflinte.
»Hast du gut gemacht!«, lobte ihn Dani. Sie zog ihn am Arm in eine Ecke etwas abseits des Geschehens.
»Tut mir leid, dass ich’s beim ersten Mal vermasselt habe.«
»Roger ist ein Mistkerl.«
»Nein, er hatte schon recht. Das war mein Fehler.«
»Noch lange kein Grund, so auszurasten, wie er es getan hat. Er ist ein verwöhntes Muttersöhnchen.«
Jack zog sich die Skimaske vom Kopf und rieb sich das Gesicht. Kopfschüttelnd strich er sich durch den zerzausten Bart. »Tut mir leid. Meinetwegen hast du schlecht dagestanden.«
»Hey, wir leisten großartige Arbeit für diesen eitlen Fatzke. Ohne unseren Beitrag wäre dieser dämliche, behämmerte Film überhaupt nicht mehr zu retten. Das sollte er sich besser mal bewusst machen.«
Einen Moment lang wirkte Jack, als würde er gleich laut loslachen, dann jedoch verfinsterten sich seine Gesichtszüge. Er kaute auf der Unterlippe herum und sah Dani in die Augen. »Als ich beim ersten Mal gezielt habe ... verdammt, du wirst mich für verrückt halten, aber ich hatte das Gefühl, dass du dort am Fenster stehst. Wirklich du. Als hättest du mit Ingrid den Platz getauscht oder so. Ich konnte einfach nicht schießen. Ich musste mich erst vergewissern ... Dann sah ich dich dort drüben mit Michael stehen, und alles war wieder in Ordnung.«
Dani starrte Jack an. Sie konnte sich noch gut an den Tag erinnern, als er vor knapp zwei Monaten ihr Haus für das Vorstellungsgespräch betreten hatte. Anfangs schüchterten sie seine Größe und sein zotteliger Bart ein. Er kam ihr vor wie ein Einsiedler aus den Bergen. Aber seine sanften, intelligenten Augen und seine ruhige Stimme nahmen sie schnell für sich ein. Sie mochte ihn und hatte ihn 32 anderen Bewerbern vorgezogen, die auf ihre Anzeige im Reporter geantwortet hatten. Schon bald erwies er sich als kompetenter Angestellter und mehr als kompetent: Er lernte schnell, war dynamisch und engagiert, brachte innovative Ideen mit und tauchte meistens gut gelaunt am Set auf. Dennoch betrachtete sie ihn lediglich als Angestellten, mehr nicht. Sie blieben emotional auf Abstand und gingen sehr förmlich miteinander um.
Bis zu diesem Moment.
Während Dani ihn ansah, spürte sie, wie eine wohlige Erregung durch ihren Körper lief.
»Ich schätze, damit ist die Katze aus dem Sack«, meinte er mit einem gleichermaßen besorgten wie erleichterten Gesichtsausdruck.
»Da hast du wohl recht«, erwiderte Dani. »Wie gehen wir jetzt damit um?«
»Was hältst du von einem Kuss?«
Sie trat näher an Jack heran und spürte, wie sich seine Arme um sie schlangen und sie dicht an seinen Anorak zogen. Dani erwiderte die Umarmung und legte den Kopf in den Nacken. Er lächelte sie an. Seine Lippen und sein Bart drückten sich auf ihren Mund.
Sie wusste, dass sie vielleicht von anderen beobachtet wurden, doch es kümmerte sie nicht. Es zählte nur, dass dieser Mann, mit dem sie zusammengearbeitet und gescherzt hatte, sie von Anfang an begehrt und es für sich behalten hatte. Das Versteckspiel wäre unter Umständen ewig so weitergegangen, wäre da nicht sein Zögern beim Schuss auf Ingrid gewesen.
Behutsam löste sie den Mund von seinem. »Warum hast du nie ... etwas gesagt?«
»Ich wollte nicht gefeuert werden. Wenn man bedenkt, was mit Al passiert ist.«
Bei der Erwähnung ihres früheren Assistenten zuckte sie zusammen. »Er war ein Trottel.«
»Ein Trottel, der dich angebaggert hat.«
»Woher weißt du
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