Night World - Retter der Nacht
anständige Vampir würde dasselbe tun. Meine eigene Mutter würde Poppy ohne Skrupel verraten.« Seine Stimme war bitter.
»Und dieser Ash ist ein Vampir«, sagte Phil wie vor den Kopf geschlagen.
James sah ihn fast mitleidig an. »Alle meine Verwandten sind Vampire.« Er lachte kurz auf. Dann änderte sich seine Miene und er nahm abrupt den Fuß vom Gas.
»He! Pass auf, die Kreuzung!«, schrie Phil.
James trat hart auf die Bremse und drehte mitten auf der Straße. Die anderen Autos hupten empört.
»Was ist los? Willst du uns umbringen?« Phil stützte sich immer noch am Armaturenbrett ab.
James sah fast verträumt aus. »Mir ist gerade eingefallen, wohin er sie bringen wird. Er hat ihr etwas von einem sicheren Ort erzählt, wo es den Menschen egal wäre, wer oder was Poppy ist. Aber den Vampiren wäre es nicht egal.«
»Also ist sie bei Menschen?«
»Nein. Ash mag keine Menschen. Er wird sie an einen Ort der Nachtwelt bringen. Irgendwohin, wo er eine große Nummer ist. Und die nächste Stadt, die von der Nachtwelt kontrolliert wird, ist Las Vegas.«
Phil blieb der Mund offen stehen. Las Vegas wurde von der Nachtwelt kontrolliert? Plötzlich musste er lachen. »Und ich dachte immer, es sei die Mafia, die dort das Sagen hat.«
»Das ist auch so«, antwortete James ernst. »Nur ist es eine andere Art von Mafia.«
»Aber, warte mal. Las Vegas ist eine große Stadt.«
»Im Grunde nicht. Aber das ist auch egal. Ich weiß, wo sie sind. Denn nicht alle meine Verwandten sind Vampire. Einige sind Hexen.«
Phil runzelte die Stirn. »Ach ja? Wie hast du das denn hingekriegt?«
»Ich habe damit gar nichts zu tun. Vor ungefähr vierhundert Jahren haben meine Vorfahren ein Blutsband mit einer Hexenfamilie geschlossen. Die Hexen sind keine echten Verwandten. Sie sind so eine Art adoptierte Familie. Es würde ihnen vermutlich gar nicht auffallen, dass Poppy kein legaler Vampir ist. Und dorthin wird Ash fahren.«
»Sie sind entfernte Cousinen«, erklärte Ash Poppy.
Sie fuhren mit dem silbernen Mercedes der Rasmussen. Ash hatte steif und fest behauptet, dass seine Tante Maddy wollte, dass er ihn sich ausleiht.
»Sie werden keinen Verdacht schöpfen, was dich betrifft. Hexen können, anders als Vampire, die Anzeichen dafür, dass jemand ein neuer Vampir ist, nicht erkennen.«
Poppy starrte nur auf den entfernten Horizont. Es war inzwischen Abend und die rot glühende Sonne ging hinter ihnen unter. Überall um sie herum war eine fremde Landschaft. Sie war nicht so braun, wie Poppy es von einer Wüste erwartet hätte, sondern vielmehr von graugrünen Klumpen übersät. Fast alles, was hier wuchs, hatte Stacheln.
Irgendwie war es der passende Ort, um ins Exil zu gehen. Poppy kam es so vor, als würde sie nicht nur ihr altes Leben hinter sich lassen, sondern auch alles, was ihr auf dieser Erde lieb und vertraut gewesen war.
»Ich werde auf dich aufpassen«, versprach Ash liebevoll.
Poppy zuckte mit keiner Wimper.
Für Phillip war Nevada zunächst nur eine Reihe von Lichtern in der Dunkelheit vor ihnen. Als sie näher an die Staatsgrenze heranfuhren, verwandelten sich die Lichter in blinkende Neonreklamen: ›Pete’s Whiskey Bar‹, verkündeten sie zum Beispiel. Oder: ›Buffalo Bill’s Schänke‹.
Jemand, der einen Ruf als Frauenheld hat, will Poppy hierher bringen?, dachte er erstaunt.
»Fahr schneller«, sagte er zu James, als sie die Lichter hinter sich ließen und in die dunkle Wüste kamen. »Komm schon. Deine Karre schafft doch locker zweihundert Sachen.«
»Da wären wir«, verkündete Ash, als wollte er Poppy die ganze Stadt schenken. Aber Poppy sah keine Stadt, nur ein Meer aus Lichtern. Las Vegas war ein glitzernder See in einem flachen Tal zwischen den Bergen.
Trotz allem regte sich etwas in ihr. Sie hatte immer die Welt sehen wollen. Und das hier wäre wunderschön gewesen - zusammen mit James.
Aus der Nähe funkelte die Stadt nicht mehr ganz so prachtvoll. Ash bog vom Highway ab und Poppy wurde in einen Strudel von Farben, Licht und hektischem
Treiben gezogen. Aber vieles davon war schäbig und billig.
»Der Strip, die Hauptstraße von Las Vegas«, erklärte Ash. »Hier sind alle großen SpielKasinos. Das gibt’s nur einmal auf der ganzen Welt.«
»Kann ich mir denken.« Poppy starrte mit großen Augen aus dem Autofenster. Auf der einen Straßenseite sah sie ein großes Hotel, das einer schwarzen Pyramide glich. Eine riesige Sphinx stand davor, aus deren Augen Laserstrahlen
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