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Nightschool. Du darfst keinem trauen

Nightschool. Du darfst keinem trauen

Titel: Nightschool. Du darfst keinem trauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Daugherty
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liebten mich nicht mehr, und ich fühlte gar nichts mehr.«
    Sie seufzte zitternd. »Ich wollte mich aber irgendwie spüren. Also habe ich jede Menge gesoffen. Aber eigentlich ist das genau das Gegenteil von sich spüren, weißt du?«
    Jo nickte.
    »Ich hab mich mit Leuten abgegeben, die sich gegenseitig wehtun. Ich hab mir ganz viel Ärger eingehandelt. Von der Polizei festgenommen zu werden, machte mir richtig Angst, also hab ich es ein paarmal darauf angelegt. Und eine Zeit lang …«, sie streckte den linken Arm aus und offenbarte drei saubere, dünne weiße Narben zwischen Handgelenk und Ellbogen, »hab ich mich auch geritzt. Und das hat wehgetan, was gut war. Aber natürlich auch total bekloppt. Weil es nur so als ob war. So, wie ich es gemacht habe, tat es gar nicht richtig weh. Also hab ich’s irgendwann gelassen.«
    Sie hechelte den Rest ihrer Geschichte durch, als könne sie es nicht erwarten, die Sache hinter sich zu bringen. »Jedenfalls, als ich dann das letzte Mal bei der Polizei gelandet bin, hatten meine Eltern echt die Schnauze voll von mir. So sieht’s aus. Die haben jetzt ein leeres Haus. Und ich hab nicht mal das.«
    Spontan warf Jo ihre Arme um Allie und drückte sie fest an sich. Dann lehnte sie sich zurück, fasste Allie an den Schultern und sah ihr in die Augen. »Okay, das ist scheißschlimm. Aber jetzt bist du hier. Und du lebst. Ich hab dich gerade erst kennengelernt, Allie, aber ich kann jetzt schon sagen, dass du ein toller Mensch bist. Und selbst wenn deine Familie noch so schrecklich ist, ab jetzt gehört dein Leben dir. Ich möchte, dass du mir versprichst, dass du dieser Schule eine Chance gibst. Mich hat Cimmeria wieder auf Kurs gebracht. Es ist jetzt mein Zuhause, und diese Leute sind meine Familie. Das könnte für dich genauso sein.«
    Allie erwiderte die Umarmung. Sie kämpfte mit den Tränen. »Na gut«, flüsterte sie mit bebender Stimme, »ich versprech’s.«
    Jo zog Allie an sich, sodass Allies Kopf auf ihrer Schulter ruhte. Schweigend saßen sie eine Weile auf der Bank, jede in ihre Gedanken vertieft. Allie fühlte sich unbehaglich. Verkatert. Müde.
    »Ist schon komisch hier«, murmelte sie. »Die Zeit ist hier irgendwie so vollgepackt mit Sachen. Ich kann gar nicht glauben, dass ich erst seit zwei Tagen hier bin. Das ist erst mein dritter Abend. Aber es kommt mir vor, als wäre ich schon seit Wochen hier.«
    Jo nickte. »Ja, als würde sich das Leben zusammenballen. Hier passiert in einer Woche mehr als draußen in einem Monat.«
    Auf der Bank zusammengekuschelt, plauderten sie entspannt, während sich das Tageslicht immer weiter zurückzog und Schatten den Garten füllten. »Ich verstehe jetzt, warum es dir hier so gut gefällt«, sagte Allie und streckte sich. »Es hat so was Magisches. Wie in dem Buch, das wir als Kinder gelesen haben – Der geheime Garten. Hast du das gelesen?«
    Jo nickte. »Ich wollte immer …«
    Ihre Worte wurden von einem gewaltigen Krachen am anderen Ende des Gartens unterbrochen. Sie fuhren beide hoch.
    »Was war das denn?«, fragte Allie und starrte in die Finsternis. Erst jetzt fiel ihr auf, wie dunkel es geworden war.
    »Keine Ahnung«, flüsterte Jo. Sie schaute auf ihre Uhr. »Ach, Scheiße. Es ist bald Nachtruhe. Wir müssen zurück.«
    Sie stand auf und streckte Allie die Hand entgegen. Plötzlich hörten sie das Geräusch erneut. Dann Schritte.
    »Was ist denn …«, flüsterte Jo, dann hob sie die Stimme und rief: »Ist da wer?«
    Die Schritte hörten auf.
    Wie angewurzelt standen Jo und Allie da und hörten eine Weile nur ihren Herzschlag. »Jo«, wisperte Allie. »Könnte es nicht sein …«
    Im selben Moment hörten sie das Knurren.
    Jo packte Allie am Arm.
    »Verdammt, was ist das?«, flüsterte Allie.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Sollen wir …?«
    »Rennen?«
    »Ja.«
    »Okay, auf drei. Eins. Zwei …«
    Die Stille wurde von einem erneuten Krachen erschüttert, das direkt neben ihnen aus dem Schatten zu kommen schien. Sie schrien auf und rasten den Fußweg hinunter. Jo hielt Allies Hand umklammert. »Wir müssen zusammenbleiben«, sagte sie atemlos und stürzte in den Obstgarten. Im Zickzack rannten sie zwischen den Bäumen hindurch. Das Fallobst unter Allies Schuhen fühlte sich ekelhaft matschig an. Sind da noch andere Schritte als unsere? Schwer zu sagen, sie rannten zu schnell.
    Dann berührte sie etwas am Kopf. Allie schrie und schlug wild um sich. Jo zerrte sie nach links, am Gestrüpp der Heidelbeersträucher

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