Niki de Saint Phalle - Die Lebensgeschichte (optimiert für Tablet-Computer)
Mörderin!«
»Sie ist â WAS?«
»Eine Mörderin. Zumindest fast. Sie hatâs versucht.« »WAS versucht?« »Ihn umzubringen.« »WEN?« »Ihren Liebhaber.« »Wie hat sie â¦?«
»Ihn umbringen wollen?« John zieht wortlos eine imaginäre Pistole und zielt: »Peng!«
Mein Herz klopft heftig bis in meinem Hals. MarÃa Luisa. Das ist â unfassbar! Meine Tante eine Mörderin, eine Fast-Mörderin. Wie kann Onkel Fal ⦠? Wenn er das weiÃ? Natürlich weià er ⦠Gedanken sausen. MarÃa Luisa hat die Grenze überschritten. Wollte töten! Das fünfte Gebot. Gruselig. Sie hat es wirklich getan?
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»Aber ja!«, lacht MarÃa Luisa ihr raues Lachen etwas bitter. »Er war der Staatspräsident von Chile. Und â¦Â«Â â sie beugt sich vor zu Niki, die vor ihr hockt wie früher vor den Schlangen im Zoo â »⦠er hat mich verlassen. Einfach so. Ohne Erklärung. Und nicht nur das. Er hat meine Briefe, die ich ihm geschrieben habe, meine LIEBES â
briefe, hat er seinen Freunden vorgelesen und sich darüber lustig gemacht.«
So oder so ähnlich erzählt MarÃa Luisa Niki ihre Geschichte, die sie zumindest so erinnert â wie auch immer sie sich tatsächlich abgespielt haben mag.
Das Bild nistet sich ein in Nikis Kopf.
Feuerrot leuchtet die Scham
»Sie schoss ihm direkt auf â¦Â«, erzählt Niki auch ihrer besten Freundin Noel in der Schule. »Dadurch war er gelähmt.«
Noel ist aufgeregt. Niki hat ihr gerade von ihrem Plan erzählt. Aber sie hat recht, die Niki, das ist doch wirklich total schizophren: Ãberall in der Schule stehen die Statuen herum, splitterfasernackt, und ihre Scham ist bedeckt mit einem pseudo-keuschen Feigenblatt! Noel muss grinsen, wenn sie an Nikis Plan denkt.
»Genau, das machen wir, das ist cool«, sagt sie verschwörerisch zu ihr. »Ich bin dabei.«
»Farbe hab ich schon besorgt.«
»Hast du Pinsel auch?«
»Ja.«
»Wann treffen wir uns?«
»Um Viertel vor acht am Hintereingang.«
»Okay, bis morgen dann!«
Pünktlich sind die beiden Verschwörerinnen zur Stelle und färben mit entschiedenen, hastigen Pinselstrichen die Feigenblätter aller griechischen Statuen in der Schule leuchtend rot ein.
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Uralt-Niki: Das war meine erste künstlerische Tat!
Im Internat der Klosterschule in Suffern
Vielleicht hätte Niki diesen Coup doch lieber nicht gelandet, hätte sie die Folgen vorhergeahnt. Denn diesmal fliegt sie nicht in GroÃvater
Harpers offene Arme, sondern geradewegs auf die nächste Klosterschule, die noch dazu ein Internat ist und 40 Kilometer weg von zu Hause.
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Während ich hier bin, wird mein Bruder Richard geboren. Jetzt sind wir also fünf. Aber ich lerne ihn gar nicht so richtig kennen, denn ich bin ja nicht da. Ich hör auf, auf Liebe und Zärtlichkeiten zu warten. Aufmerksamkeit tutâs auch. Sie stecken mich in eine Klosterschule? Super Vorlage, dann werde ich Atheistin. Die Schulschwestern zu ärgern wird mein neuer Sport. Sie können so herrlich empört, entgeistert und besorgt zugleich dreinschauen, die Schwestern!
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Wenn ich zwischendurch zu Hause bin, kämpfe ich jetzt nicht mehr. Nur in einem lasse ich nicht locker: »Mama, BITTE! Ich ertrage es nicht mehr! Lass mich BITTE auf eine andere Schule gehen.« So oft hab ich ihr das gesagt und Daddy auch, dass ich jetzt wirklich in ein anderes Internat komme, ein weltliches. Und vorher darf ich mit Mama endlich, endlich wieder mal einen Sommer lang nach Frankreich fahren, der Krieg ist vorbei.
Glücklich in einer anderen Welt
Ich freu mich riesig! Paris, ich fliiiieege zu dir! Zum ersten Mal in meinem Leben steige ich in ein Flugzeug. Mama ist mindestens genauso aufgeregt wie ich. Fast wie zwei Freundinnen sind wir auf Reisen â ein bisschen. 20 gemeinsame Stunden haben wir in der Luft. Da, da ist Paris. »Ich sehe den Eiffelturm!«
Paris ist sexy. Ja, selbst jetzt, so kurz nach dem Krieg. Ich stecke meine Nase in die Luft und schnuppere. Mmmmh, hier gibtâs so
leckeres Essen: winzige, supersüÃe Erdbeeren, Käse in vielen Sorten. Ganz speziell riecht es am Ufer der Seine, dem Fluss, der mitten durch Paris flieÃt. Katzen schnurren mir um die Beine. Da drüben ist Nôtre-Dame, die
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