Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nimm s bitte nicht personlich

Nimm s bitte nicht personlich

Titel: Nimm s bitte nicht personlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wardetzki Barbel
Vom Netzwerk:
Artikel in der Süddeutschen Zeitung (24.02.2012) konnte man lesen, welche Vorurteile noch immer in unserem Land zu finden sind. Hier ein kurzer Auszug aus dem Text, der Sie vielleicht ebenso berührt wie mich:
    Am Montag, dem 20.2.2012 saßen der Erzieher Gökan Akgün, ein Grundschullehrer und ein gutes Dutzend zehn- bis elfjährige Schüler einer fünften Klasse in der S-Bahn auf dem Weg zum Bowling. Es war schulfrei, weil Rosenmontag war. Die Schüler, von denen die meisten einen Migrationshintergrund haben, freuten sich auf das Bowlen. Zwischen den Stationen Ostbahnhof und Alexanderplatz wich die Freude einer Verstörung. Ein deutscher Mann und eine deutsche Frau beschimpften die Gruppe. »Nur noch Ausländer, wo man hingeht«, zischte die Frau. »Geht doch nach Hause!« Der Mann fand: »Vergasen sollte man Leute wie euch. Früher hat man Leute wie euch nach Auschwitz verfrachtet!« Gökan Akgün und der Grundschullehrer waren fassungslos. Die Kinder wussten gar nicht, was mit Auschwitz gemeint war. Und sie verstanden auch nicht, dass sie nach Hause gehen sollten. »Aber Herr Akgün«, sagte ein Mädchen, »wir sind doch hier zu Hause«.
    Alle haben gehört, was die beiden Deutschen gesagt haben, aber niemand in der S-Bahn hat reagiert. Der S-Bahn-Fahrer, den Gökan Akgün alarmierte, wollte die Fahrt nicht unterbrechen, um die Polizei zu rufen.
    Auch beiläufige Kränkungen, scheinbar unwesentliche Diskriminierungen von Völkern, Rassen, Geschlechtern, Religionen, Berufen, Behinderten und Fremden haben sich in unserem Denken und Alltagshandeln festgesetzt. Vorurteile bestimmen unser aller Leben; Vorurteile, die wir anderen gegenüber haben und die wir selbst an uns erleben. Der Hinweis einer nötigen Korrektur am Fensterschloss in meiner Praxis, die Jahre lang nicht ausgeführt wurde, wurde bei der Besichtigung durch den männlichen Nachmieter vom Verwalter mit den Worten quittiert: »Wird sofort erledigt«. Mir, als Frau, fehlten die Worte.
    Bei einer Umfrage im Fernsehen antwortete die Mehrzahl der befragten Personen auf die Frage: »Haben Sie Vorurteile?« mit »Nein«. Es scheint äußerst peinlich zu sein, öffentlich einzugestehen, Vorurteile zu haben, weil man sich damit schnell einem erneuten Vorurteil aussetzt: Rassist, Kinder- oder Frauenhasser, Spießer und dergleichen. Vielleicht verschweigen und leugnen die meisten Menschen deshalb ihre Vorurteile. Dadurch bleiben sie jedoch im Verborgenen und entziehen sich einer nötigen Korrektur. Denn nur, wenn wir ein Klima schaffen, in dem wir die Erlaubnis bekommen, uns unsere Vorurteile einzugestehen, über sie nachzudenken, uns mit anderen darüber auszutauschen und sie an der Realität zu überprüfen, verlieren sie ein Stück ihrer Destruktivität und können im besten Fall verändert werden.
    In Selbsterfahrungs- oder Therapiegruppen, in denen sich die TeilnehmerInnen nicht kennen, ist es eine bewährte Übung, jeder Person zu Beginn genügend Zeit zu geben, ihre Vorurteile den anderen Gruppenmitgliedern gegenüber aufzuschreiben und am Ende der Gruppensitzungen zu überprüfen, ob und wie sie sich verändert haben. Es kommen erstaunliche Dinge dabei heraus. Das Wichtigste an dieser Übung scheint mir zu sein, dass die Bedeutung der Vorurteile abnimmt, wenn sie da sein dürfen und sie sich durch den realen Kontakt zum Teil oder gänzlich überflüssig machen.
    Vorurteile öffentlich einzugestehen ist für die meisten äußerst peinlich.

Wie können Sie mit Ihren Vorurteilen umgehen?
Unbekanntes macht nicht nur neugierig, sondern auch ängstlich und unsicher und führt häufig
zu Vorurteilen.
Ihre ungeprüften, negativen Vorurteile sind Kränkungshandlungen, die andere verletzen können.
Gestehen Sie sich Ihre Vorurteile ein und teilen
Sie sie Menschen Ihres Vertrauens mit.
Der beste Weg, Vorurteile zu überwinden,
ist der direkte Kontakt mit dem Fremden und
die dabei gemachten positiven Erfahrungen.
Manche Vorurteile bewahrheiten sich in der
Realität und werden so zu Urteilen, andere werden
überflüssig.

Kränkungsleichen leben lange
    Das Ende einer Kränkungssituation ist in vielen Fällen der Beziehungsabbruch. Wir wollen mit »so einem Menschen, der uns so was Schlimmes angetan hat«, nichts mehr zu tun haben. Der ist für uns gestorben. Und im psychologischen Sinne

Weitere Kostenlose Bücher