Nimm s bitte nicht personlich
schädigen. Umgekehrt ist die Wahrscheinlichkeit jedoch sehr hoch, dass wir durch entwertendes oder missachtendes Verhalten die andere Person kränken. Dennoch liegt es in deren Verantwortung, ob sie die Entwertung annimmt oder nicht, wie ich es schon im Zusammenhang mit dem Zitat von Morgan Freeman (S. 17) erwähnte.
Deshalb möchte ich nochmal darauf hinweisen, dass die Aussage »Du hast mich gekränkt« ersetzt werden sollte durch »Ich fühle mich durch dich gekränkt«. Auch von dem Kränkenden zu sprechen ist im Grunde nicht korrekt. Genauer wäre: jemand, durch den sich andere gekränkt fühlen. Der Einfachheit halber jedoch, und weil es in unserem Sprachgebrauch verankert ist, verwende ich den Begriff des Kränkenden trotzdem.
Die Erfahrung, jemanden gekränkt zu haben
Die Rolle des Kränkenden ist uns oft weniger bewusst als die des Gekränkten, vielleicht, weil wir als Kränkende einen gröÃeren emotionalen Abstand zum Geschehen herstellen können, als wenn wir die sind, die verletzt werden. Auf der anderen Seite denken viele Menschen bei dem Wort Kränkung eher daran, jemanden gekränkt zu haben, als gekränkt zu werden. Also scheint auch die Rolle des Kränkenden nicht spurlos an uns vorüberzugehen. Die erste Empfindung, wenn sich jemand durch uns gekränkt fühlt, sind Schuldgefühle und die Anklage »Ich hab was falsch gemacht.« Wir erschrecken, dass wir jemanden verletzt haben, obwohl das nicht unsere Intention war, oder wir werden ärgerlich, weil unser Gegenüber so empfindlich ist. Wir versuchen, den Gekränkten zu beruhigen und uns zu entlasten: »Nun reg dich doch nicht auf, ich hab das nicht so gemeint«. Doch die Kränkung ist beim anderen schon angekommen und wir können nur noch hoffen, die Heftigkeit der Reaktion abzuschwächen.
Das Verhalten des Gekränkten wirkt oft wie eine Kränkung für uns, besonders dann, wenn sie für unser Empfinden sehr heftig ausfällt, wir sie nicht verstehen, sie unseren eigenen wunden Punkt trifft oder uns in einem schlechten Licht dastehen lässt. Wir sind dann verletzt, fühlen uns missverstanden, zurückgewiesen, schuldig, minderwertig, ärgerlich und tendieren dazu, die Beziehung abzubrechen. An folgendem Beispiel sehen wir, dass unsere Empfindungen in der Rolle des Kränkenden ähnlich sein können wie in der des Gekränkten.
Ich verbrachte bei Freunden, die auch Therapeuten sind, einen wunderschönen Sommertag im Garten. Wir unterhielten uns darüber, was wir beruflich machen würden, wenn wir keine Psychotherapeuten wären. Jörg, der gerne isst und kocht, meinte, er würde ein Gourmetlokal eröffnen. Als er später die Tomaten für den Salat schnitt, sagte ich scherzhaft: »Wenn du ein Gourmetlokal hast, dann musst du aber das Auge aus der Tomate schneiden.« Von mir war es nicht böse gemeint, und es war nicht meine Absicht, ihn zu maÃregeln, stattdessen wollte ich witzig und hilfreich sein. Doch als ich in sein Gesicht schaute, das sich sogleich verdunkelte, merkte ich an seinem düsteren Blick, dass er mich gar nicht lustig fand, sondern ich ihn gekränkt hatte. Ich war von seiner Reaktion völlig überrascht, denn ich kannte ihn als unkompliziert und hätte nicht angenommen, dass ihn meine Bemerkung verletzen könnte. Erschrocken über die Heftigkeit seiner Ablehnung beschloss ich, mich vorübergehend zurückzuziehen, was das einzig Richtige war. Ich nutzte die Distanz, um mich innerlich zu ordnen. Dabei spürte ich, dass ich meinerseits gekränkt war, da ich mich von ihm missverstanden und verurteilt fühlte, als hätte ich etwas Schlimmes angerichtet. Es irritierte mich, dass er über etwas böse war, das freundlich gemeint war. So eine Reaktion hatte ich nicht verdient. Ich schwankte nun zwischen zwei Impulsen, einmal die Schuld bei mir zu suchen und zum anderen ihn für seine Zurückweisung zu kritisieren. Zugleich kam ich mit meinen eigenen Themen und wunden Punkten in Kontakt, etwas falsch gemacht zu haben, dadurch den Frieden zu stören und abgelehnt zu werden. Erst mit der Zeit begriff ich, dass seine Reaktion vielleicht mehr mit ihm zu tun hat als mit meiner Bemerkung, was dann letztendlich stimmte. Es gelang mir, mich zu beruhigen und weder mich noch ihn abzuwerten. Ich konnte mich so lassen wie ich war, hatte keinen Druck, verstanden werden zu müssen oder alles
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