Nimm s bitte nicht personlich
gekränkt werden kann. Somit ist eine Kränkung im Sinne einer Kränkungshandlung nichts Objektives: Wir können nicht sagen, dass beispielsweise eine Ablehnung automatisch eine Kränkungsreaktion beim Gegenüber auslöst. Das tut sie nur dann, wenn der andere sich dadurch entwertet und in seinem Selbstwertgefühl gemindert fühlt.
Nehmen wir an, eine Kritik hat uns gekränkt. Die Arbeit, die wir mit groÃem Eifer und viel Mühe dem Chef vorlegen, wird auseinandergenommen und mit den Worten: »Ist Ihnen nichts Besseres eingefallen?« kommentiert. Diese Bemerkung führt in dem Moment zu einer Kränkungsreaktion, wenn wir uns abgewertet fühlen und glauben, versagt zu haben. In diesem Fall lehnen wir unser Produkt selber ab, werfen uns mangelnde Kreativität vor und stellen uns möglicherweise völlig infrage. Schlimmstenfalls meinen wir, für diesen Job nicht geeignet zu sein, unabhängig von früheren Erfolgen.
Ob die Kritik für uns zur erlittenen Kränkung wird, hängt einerseits davon ab, wie wir sie verarbeiten, andererseits von ihrer Form. Wird unsere Arbeit beispielsweise sowohl auf ihre Stärken als auch auf ihre Schwächen hin beurteilt, sind wir vielleicht gar nicht gekränkt oder weniger, als wenn sie pauschal abgelehnt wird. Doch auch dann müssen wir nicht gekränkt reagieren. Denn wenn wir von der guten Qualität unserer Arbeit überzeugt sind, werden wir die Entwertung nicht annehmen.
Kränkung hat eine doppelte Bedeutung
Die erlittene Kränkung oder Kränkungsreaktion ist das,
was Menschen erleben, wenn sie sich gekränkt fühlen.
Die erteilte Kränkung oder Kränkungshandlung ist das,
was Menschen tun, wodurch andere sich von ihnen
gekränkt fühlen.
Die Kränkungshandlung ist nichts Objektives:
Ob sie als Kränkung erlebt wird, hängt u.a. davon ab,
ob sich das Gegenüber verletzt oder entwertet fühlt.
Im Grunde kann fast alles kränkend erlebt werden,
denn jeder ist durch andere Ereignisse kränkbar.
Wir entscheiden, was uns kränkt
Die Tatsache, dass wir durch fast alles gekränkt werden können, führt automatisch zur Frage unserer persönlichen Verantwortung. Denn ob wir uns gekränkt fühlen oder nicht, hat mehr mit uns zu tun als mit der Kränkungstat an sich. Was heiÃt das? Wir sind Kränkungen nicht hilflos ausgeliefert, sondern wir gestalten sie aktiv mit, indem wir Ereignisse oder Reaktionen von anderen als persönliche Entwertung interpretieren. Ereignisse werden zur Zurückweisung, wenn der Gekränkte sie als gegen sich gerichtet und als Minderung des eigenen persönlichen Wertes erlebt. Am Beispiel der Kritik durch den Chef wurde das schon deutlich.
Die Auslöser für die Kränkung müssen nicht absichtsvoll erfolgen, indem jemand versucht, uns bewusst zu verletzen. Es kann sich auch um beiläufige Bemerkungen und Gesten handeln, die gar nicht auf uns bezogen sind. Es können auch Kleinigkeiten sein, die unsere Seele erschüttern.
Auf diese Weise kann jedwede Reaktion aus der Umwelt Kränkungsreaktionen auslösen. Das macht die Situation nicht einfacher, zeigt aber deutlich, wie viel Verantwortung auf Seiten des Gekränkten liegt. Er hat in vielen Fällen die Wahl, die Entwertung anzunehmen oder abzuwehren.
Bei unbeabsichtigten Kränkungen, bei denen der Gekränkte die Signale missversteht oder als gegen sich gerichtet fehlinterpretiert, ist es leichter, von der Verantwortung des Gekränkten zu sprechen. Bei offensichtlichen Angriffen, Abwertungen, Beschimpfungen und Kritik ist das schon etwas schwieriger. Doch auch in diesen Fällen läuft derselbe Mechanismus ab: In welchem Ausmaà sich jemand gekränkt fühlt ist abhängig von der Bedeutung, die er dem Ereignis gibt und diese hängt wiederum ab von seiner inneren Sicherheit und früheren Erfahrungen.
Für die einen bedeutet daher eine Absage eine persönliche Kränkung, für andere ist es nur eine bedauerliche Begebenheit. Auch kann die Bedeutung einer Absage bei einer Person wechseln, je nachdem, welche Wichtigkeit das Ereignis hat. Deshalb kann einmal eine Absage wie eine Kränkung erlebt werden, ein anderes Mal nur Bedauern hervorrufen und ein drittes Mal Gleichgültigkeit auslösen.
Kränkbarkeit bedeutet aus dieser Sicht, viele Ereignisse persönlich zu nehmen, sie auf sich zu beziehen und ihnen eine entwertende Bedeutung
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