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Nimmermehr

Nimmermehr

Titel: Nimmermehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Marktführer für Cell Phones.
    Steve rieb sich müde die Augen.
    Denn kein Erfolg, das wusste er, ist von Dauer. Und die Jungs von ElCom wussten es jetzt auch.
    Nach Ablauf der Patentschutzzeit begann sich der Wettbewerb zu verschärfen. Das Know-how der Branche glich sich an. Während ElCom Unsummen für die Forschung ausgab, konzentrierte sich die Konkurrenz darauf, die Produktionskosten und damit die Preise zu senken. ElCom wurde in einen Preiskrieg hineingezogen.
    Steve Milligan und sein Team bekamen die Aufgabe zuge-sprochen, eine neue Strategie zu entwickeln.
    Remember the Alamo, dachte Steve gallig.
    Er hasste Preiskriege. Schwierig zu überleben, so was.
    Wie auch immer – wegen dieser Angelegenheit saß er jetzt in dem American Pathfinder. Die nächsten Tage würde er weder seine Frau Mary noch Aneta Howland, seine Geliebte, zu Gesicht bekommen.
    Nur Arbeit würde es geben.
    Sogar am Wochenende.
    Strategien und Statistiken.
    Er seufzte.
    Todmüde wie er war.
    Er betrachtete die anderen Gesichter im Bus. Den bärtigen Mann, der einen Artikel über die Red Sox las. Den bebrillten Buchhaltertyp, der aussah, als sei er nach Innsmouth unterwegs. Die Frau mit den hochgesteckten Haaren und dem billigen Lippenstift. Die anderen Gesichter, die alle grau und unwichtig waren. Alle lebten sie ihr Leben.
    Eine seltsame Welt, dachte Steve.
    Pfade, die des Nachts sich kreuzen …
    Normalerweise arbeitete er, wenn er im Bus oder Zug saß. Das war effizient. Und Effizienz war das, worauf man nicht verzichten konnte. Niemals. Doch seit einer Stunde hatte er das Laptop im Gepäcknetz verstaut und gönnte seinen Augen ein wenig Ruhe.
    ElCom … die Firma hatte einfach Pech.
    Fast schon hätte er schmunzeln müssen, wäre die Lage nicht so ernst gewesen.
    Eine Umweltschutzorganisation namens EcoWarriors hatte behauptet, dass die neue Produktlinie krebserregend sei. Herrje, das hatte ihnen noch gefehlt. Das warf die gesamte Kommunikations strategie, die Steve mit seiner Abteilung entwickelt hatte, über den Haufen.
    Fuck!
    Deswegen musste Steve nach Chester Springs. Es musste etwas getan werden, und zwar schnell. Die Medien waren die Wölfe des 21. Jahrhunderts. Und der Speichel troff ihnen nur so von den Lefzen.
    Das sanfte Schaukeln wirkte beruhigend.
    Steve dachte an Aneta und das vergangene Wochenende. An Mary und die letzten vier Jahre.
    Draußen erkannte er den Busbahnhof von Dowingtown.
    Sie hatten also die Staatsgrenze von Maine erreicht.
    Na, endlich!
    Der Bus fuhr an, und Steve sank erneut in einen unruhigen Schlaf. Von Aneta träumte er, dann erst von ElCom, ein wenig später von der Berufung zum Leiter der Niederlassung in Los Angeles.
    Der Bus schaukelte heftig.
    Geradeso, als sei er über etwas Großes gefahren.
    Steve riss die Augen auf und stellte fest, dass der Bus angehalten hatte.
    Seltsamerweise kam ihm ein Lied in den Sinn. Etwas von Bruce Springsteen.
    Outside the street’s on fire.
    War dies Chester Springs?
    Nein, das konnte nicht sein!
    Er sah auf die Uhr. Vor einer Stunde erst hatte der Bus Dowingtown verlassen. Wenn ihn seine Geographiekenntnisse nicht im Stich ließen, dann müssten die Orte Phoenixville und Royersford folgen.
    Chester Springs sollte gegen zehn Uhr abends erreicht werden.
    And in the quick of the night.
    They reach for their moment.
    Er blinzelte. Dachte für einen Augenblick an seine Frau.
    Etwas stimmte nicht.
    Nein, etwas stimmte ganz und gar nicht.
    Steve schüttelte sich den letzten Rest Schlaf aus dem Bewusst-sein.
    Und sah, was er schon vorher hätte bemerken sollen: der Bus war leer.
    Der bärtige Mann, der einen Artikel über die Red Sox gelesen und dann etwas in ein Notizbuch geschrieben hatte. Der bebrillte Buchhaltertyp, der in einem dünnen Buch gelesen und irgendwann nachdenklich aus dem Fenster geschaut hatte. Die Frau mit den hochgesteckten Haaren und dem billigen Lippenstift, die ihre Fingernägel gefeilt hatte. All die anderen Gesichter, die alle grau und unwichtig waren. Die Plätze, die sie besetzt hatten, waren jetzt leer. Einfach so.
    DAS war es, was nicht richtig war.
    Außer ihm war niemand mehr da!
    Er starrte erneut nach draußen.
    Demnach mussten sie einen der anderen Orte erreicht haben.
    Tonight in jungle land.
    Draußen jedoch erkannte er nur allerschwärzeste Dunkelheit. Bäume sah er, schemenhaft. Aber das war auch schon alles.
    Nein, dies war kein Ort.
    Es gab keine Lichter, gar nichts.
    Dies war die Wildnis.
    Das Pochen in seinem Schädel wuchs an.

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