Nimmermehr
gedankenverloren die anderen Reisenden betrachtet. Männer, Frauen, Kinder, Ehebrecher, Geschäftsleute, wie er selbst. Sie standen da, starrten vor sich hin, verließen oder bestiegen die großen Busse, gingen missmutig ihrer Wege. Die Abgase der abfahrenden Busse – es gab Greyhounds, Trailways, Eastern Highways, Continental Expresses und American Pathfinders – hatten seine Kopfschmerzen (Mary, seine Frau, nannte diese Schmerzen immer nur die Stressschmerzen) ins Unermessliche gesteigert, und er war, bis zur Abfahrt seines Busses, in die Schalterhalle geflüchtet, die zwar überfüllt war, aber ohne den Gestank und die Motorengeräusche auskam.
Steve hatte an den Fall gedacht, der ihn nach Chester Springs führte. Und jetzt, nach fast siebenstündiger Fahrt, dachte er noch immer an den Fall. Als Mitglied von Yeahworth, Harris & Mill Consulting würde er zu retten versuchen, was noch zu retten war. Das war sein Job.
Die renommierte Beraterfirma belegte vier Stockwerke im Vanderbilt-Tower, einem der sieben Hochhäuser im North End der Stadt. Martin Yeahworth, der damals, Ende der 6oer Jahre, einen Lehrstuhl für Management an der Harvard Busines School innegehabt hatte, hatte die Firma als eine Reaktion auf die zunehmende Dynamisierung der nationalen und internationalen Märkte gegründet. Die Firma hatte sich zu einer wahren Goldgrube entwickelt, gab es doch eine Vielzahl von Unternehmen, die einer Führung und Beratung bedurften – und gewiss nicht kleine Beträge zahlten, um neue Strategien entwickelt zu bekommen. Auf dem Markt für Beraterdienstleistungen an der Ostküste waren sie die Nummer zwei, immerhin.
Steve Milligan hatte vor fünf Jahren bei Yeahworth, Harris & Mill angefangen und war zum Leiter der Abteilung für Kommunikationsstrategien aufgestiegen. Er mochte seinen Job, seine Frau (die er vor sechs Jahren geheiratet hatte) – und, wenn es sich denn einrichten ließ, Aneta (die seit drei Jahren seine Geliebte war), der die Finanzabteilung unterstand.
Privatleben und Berufsleben trennte er strikt.
Alles andere wäre ineffizient gewesen.
So ineffizient wie das, was sich ihr größter Kunde derzeit leistete.
Steve, der (neben seiner Frau und seiner Geliebten) Sushi, dunkle Anzüge, iPods und Heinecken mochte, seufzte, während er an das dachte, was noch vor ihm lag. Der Besuch in der Niederlassung von ElCom-Systems, einem Halbleiterunternehmen in stürmischen Gewässern, das seine F&E-Division nach Maine verlegt hatte, in ein trostloses Nest namens Chester Springs – Steves Reiseziel.
»Du schaffst das schon.« Diese salbungsvollen Worte hatte Bill Harris ihm mit auf den Weg gegeben.
»Dein Wort in Gottes Ohr«, war seine Antwort gewesen.
Deswegen saß er jetzt in dem schaukelnden Bus von American Pathfinder.
Und dachte erneut an den Fall.
Electronic Communication Systems – der GROSSE und EXTREM WICHTIGE Mandant – aus dem Silicon Valley konnte die typische Entstehungsgeschichte eines Halbleiterunternehmens sein eigen nennen.
Santa Clara County war eben schon immer eine Brutstätte neuer Technologien gewesen. Als Keimzelle des Valley gilt eine kleine Garage in Palo Alto, in der Hewlett und Packard 1938 einen neuartigen Soundgenerator entwickelten. Mit der Erfindung des Transistors keine neun Jahre später (durch, nebenbei bemerkt, Bardeen, Shockley und Brattain) wurde die nächste Generation der Elektronik eingeleitet. 1957 machte sich dann eine Reihe von Shockleys Mitarbeitern selbständig und gründete die Fairchild Camera and Instruments Corporation.
Steve seufzte.
Dachte an Mary, wenn auch nur kurz.
Ende der 60er Jahre kam es dann zur nächsten Zellteilung. Eine Reihe führender Fairchild Manager verließ das Unternehmen wegen Unstimmigkeiten mit neu hinzugekommenen Gesellschaftern. Ein Teil von ihnen gründete die neue Firma INTEL, andere wechselten zu National Semiconductor. Bis Mitte der 70er Jahre verlor Fairchild auf diese Weise Hunderte von Mitarbeitern, und das Knowhow der Firma wurde auf das gesamte Valley verteilt.
Eine der neu gegründeten Firmen war ElCom Systems gewesen. Mitte der 8oer wurde das aufstrebende Unternehmen Mandant von Yeahworth, Harris & Mill, die eine Konzentrationsstrategie empfohlen. Giganten wie Motorola und IBM wurden auf Teilmärkten angegriffen.
Seit zwei Jahren lag der Schwerpunkt von ElCom in der Entwicklung von neuen Basistechnologien. Zwei neuartige Chips ermöglichten eine nie dagewesene Miniaturisierung.
ElCom Systems wurde zum
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