Nina, so gefällst Du mir
nicht doch dumm von mir war, daß ich nicht weiter aufs Gymnasium gehen wollte? Glaubst du, es ist jetzt zu spät, um wieder zurückzugehen?“
„Nein, sieh mal einer an! Ist dies das Ergebnis deines ersten Balles? Selbstredend kannst du aufs Gymnasium gehen. Es macht doch nichts, wenn du ein Jahr ausgesetzt hast.“
„Das Jahr ist auch nicht vergeudet“, ergänzte die Mutter. „Es ist für ein junges Mädchen niemals verlorene Zeit, wenn sie Hauswirtschaft lernt.“
Nina ging in diesem Winter auf die Haushaltungsschule. Die Mutter hatte es vorgeschlagen. Nina hatte bereitwillig zugestimmt, weil ihr Vater sie nicht nach Oslo schicken wollte, ehe sie nicht etwas älter war. Und im Grunde machte Nina das Kochen Spaß.
„Wie bist du denn auf diesen Gedanken gekommen, Nina?“ fragte der Vater.
„Och, ich weiß nicht. Doch, wahrscheinlich deshalb, weil ich vor allen Dingen gern noch Sprachen lernen möchte. Ich habe ja Deutsch und Englisch gehabt. Das ist ganz schön, aber besser wäre es, wenn ich auch ein bißchen Französisch verstünde.“
„Willst du in den neusprachlichen Zweig?“
„Ja, das wäre doch am vernünftigsten.“
„Warum nicht in den humanistischen?“ fragte der Vater. „Latein ist immerhin die Grundlage für Französisch und für moderne Sprachen überhaupt.“
Nina überlegte. „Das wäre vielleicht nicht so dumm, und man hat ja im altsprachlichen Zweig auch Französisch.“
„Ich freue mich über deinen Entschluß, Nina“, lächelte Frau Löge. „Es wäre ohne dich hier zu Hause einsam gewesen. Denk nur, dann haben wir dich noch drei Jahre zu Haus!“
Die Mutter strich Nina über die Wangen, und ihr Blick war froh. Nina lächelte, aber es war ein sonderbares, blasses Lächeln.
Kurz danach stand sie auf. „Ich muß mein Zimmer aufräumen. Ich war so müde, als ich heute nacht nach Hause kam, daß alles noch wie Kraut und Rüben durcheinanderliegt. Vielen Dank fürs Frühstück, Mammi!“
Nina war seltsam klein und schmal, als sie jetzt aus der Tür schlüpfte und sie leise hinter sich zumachte. Ihre Eltern sahen einander an.
„Verstehst du etwas von alledem?“ fragte Martin Löge.
„Ja, natürlich“, lächelte seine Frau. „Nina ist in Espetuns Neffen verliebt. Er kann wahrscheinlich Französisch!“
„O ihr Weibsleute!“ schmunzelte ihr Mann. „Du bist ganz sicher, daß es so zusammenhängt?“
„Ich war auch mal ein junges Mädchen, und ich kenne meine Tochter“, sagte Frau Löge mit unerschütterlicher Gewißheit. „Und wenn nichts Schlimmeres dabei herauskommt, als daß sie gern mehr lernen will, dann mag das Kind sich ruhig verlieben. Möchtest du noch etwas Kaffee?“
Nina streifte das feine Ballkleid säuberlich über einen bezogenen Bügel, hüllte die ganze Pracht in einen Überzug und hängte sie zuhinterst in den Kleiderschrank. Sie sann einen Augenblick vor sich hin. Gestern, als sie das Kleid anzog, hatte ihr Herz vor Erwartung geklopft, und heute – heute?
Sie wußte nicht, daß sie enttäuscht war. Sie wußte eigentlich nicht, was sie von diesem Ball erwartet hatte. Was war das denn für ein Wunsch, der nicht erfüllt worden war? Sie hatte doch die ganze Zeit getanzt, jeden einzelnen Tanz. Mauerblümchen war sie nicht gewesen. Sie hatte die Hauptperson des Abends als Tischherrn gehabt, und er hatte sie nach Haus gefahren.
Weshalb war sie enttäuscht? Weshalb war ihr so schwer ums Herz?
Und was war denn an Gunnar eigentlich aufregend? Hübsch, ja natürlich, das war er. Aber was bedeutet das bei einem Mann? Klug – das war er auch; das konnte man an seinen Augen sehen und an der Art hören, wie er redete, so ruhig und sicher und – ja, so erwachsen.
Und reich? Ja, reich war er bestimmt, der Neffe des reichen Espetun. Er würde sicher einmal den Onkel beerben. Davon munkelten ja alle Leute. Und Gunnar war in Oslo aufgewachsen. Er war größere Verhältnisse gewöhnt, die schicken und hübschen Mädchen der Hauptstadt. Wie durfte man erwarten, daß er auch nur das geringste Interesse für ein kindliches, kleines Mädchen aus Lillevik haben könnte? Ein unbeholfenes kleines Mädchen, das nicht Französisch konnte und das obendrein noch grauenhafte Böcke mit Fremdwörtern schoß?
Nina war trübselig zumute, als sie so vor ihrem Kleiderschrank stand. Dann mit einemmal warf sie den Kopf zurück.
Das würde nicht noch einmal vorkommen! Sie wollte zeigen, daß sie etwas konnte. Sie wollte aufs Gymnasiumgehen; sie wollte den altsprachlichen
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