Ninis - Die Wiege der Baeume
Wächterinnen verblieben als Ehr enwache am Grab und ließen den Leichnam mit Seilen absinken.
J eder Lamenis hatte seine eigene Art, mit der Situation umzugehen: Einige redeten kurz mit ihm, andere warfen etwas Erde hinein oder gaben ihm Blütenblätter mit auf die Reise. Berlienies weinte, sie trauerte um Garmen und fürchtete sich vor der nahen Zukunft.
Levinie litt, ihre Welt zerbrach zusehends: Die schwarze Lichisrose und der Tod von Garmen waren zu viel für sie. Stumm begleitete sie Garmen auf seinem letzten Weg. Verlia befand sich neben ihr, ihre Stimmung war allerdings noch dunkler. Sie löste sich von Levinie und ging auf Kiris zu.
„Glaubst du etwa, dass wir heute nur um deinen Bruder trauern?” Sie blickte Kiris eisig an, der erschrocken zusammenfuhr. Die Anklage lähmte alle in der Nähe – keiner entgegnete ein Wort. Der barsche Ton verwunderte auch Levinie, sie standen gemeinsam vor dem Grab von Garmen.
„Warum hat dein Bruder seine glorreiche Kraft nicht genutzt, um Yirmesa zu beschützen? Los, gib mir eine Antwort!” Sie setzte nach. „Yirmesa war völlig wehrlos, sie liebte deinen Bruder! Sie wollte sich von ihm verabschieden. Und der Dank? Völlig apathisch liegt sie im Bett und leidet qualvoll!”
Kiris sackte in die Knie, er weinte und umfasste ihre Knöchel. „Betrauere deinen toten Bruder, aber fürchte meine Wut, wenn ich Yirmesa verliere!”
„Bitte … bitte verzeih mir!”, stammelte Kiris. Sein Körper zitterte. Er blickte zu ihr auf: Keine Geste, kein Zuspruch, Verlia ließ ihn allein. Sie riss sich von ihm los und ging fort. Levinie stockte der Atem, sie hätte Kiris niemals offen angegriffen, aber sie wollte Verlia auch nicht aufhalten. Die harten Worte fanden ihre Zustimmung.
Karlema half Kiris auf die Beine. „Bitte, ihr müsst mir glauben. Ich würde alles geben, damit Yirmesa wieder aufwacht!”, flehte er Levinie an.
„Ich bin sicher, dass du dazu noch Gelegenheit bekommen wirst”, gab Levinie ihm kühl zurück. Sie drehte sich ebenfalls um und folgte Verlia.
Berlienies entging dieses Gespräch nicht, sie blickte Jelor betroffen an. „Das Gift ist bereits in unseren Körpern!”
„Leider.”
„Hoffen wir, dass wir diese Prüfung bestehen. Ich habe Angst.”
„Wir haben das Blut auch früher besiegt, wir werden standhaft bleiben.”
Sie mochte den Optimismus von Jelor. „Ich würde gerne an deine Worte glauben.” Wie ein Fels im Sturm: Niemals verlor er seine Zuversicht. Stets war er der Ruhepol, der die Launen der Lamenis ausgleichen konnte. Es gab in diesem Moment nichts, was sich Berlienies mehr wünschte, als dass Jelor Recht behielte. Aber die Sorgen hielten ihre Gedanken im Griff.
„Das gerade Garmen fällt, es hat ihn mit den Krallen zerrissen. Was für eine Bestie muss das nur gewesen sein?”
Sie schüttelte mit dem Kopf: „Ich lebe jetzt schon lange im Jabarital. Ich dachte immer, alles in unserer Heimat zu kennen. Mir fällt kein Lebewesen ein, was dazu in der Lage wäre. Diese Bestie muss unbemerkt in unsere Welt eingedrungen sein!” Ihre Gedanken waren bei den Bäumen. „Weißt du Liebster, was mir Angst macht?”
„Was?”
„Den ganzen Tag höre ich von den Bäumen grauenhafte Lieder. Es ist fast so, als ob die Bäume selbst von Albträumen geplagt werden und nicht aufwachen können.”
„Kannst du verstehen, was sie uns sagen wollen?”
„Nein, es ist wirr! Es scheint, dass die Bäume sich nicht einig sind. Einige nennen den Namen von Yirmesa, andere singen über den Blutmond und ein paar der alten Bäume warnen, dass der Himmel brennen wird. Ich werde morgen zum Halion wandern und mich mit ihm beraten.”
„Hoffentlich kann er uns helfen …”
Für Berlienies gab es in der Vergangenheit nur ihre Schriften, mit denen sie sich nahezu endlos beschäftigen konnte. Doch auch all diese Lehren hatten sie nicht auf diese Situation vorbereiten können. Sie glaubte fest an die Erde, aber die verworrenen Gesänge ihrer Schützlinge ließen die schlimmsten Befürchtungen in ihr aufkommen. Würde ihnen noch größeres Leid drohen, als der Verlust von Garmen?
Niavia gähnte, früh am anderen Morgen bereitete sich das Heer der Wächterinnen auf den Feldzug vor. Die unbekannte Bestie sollte heute sterben. In dieser Nacht hatte sie nicht gut geschlafen, die gespannte Stimmung in Menisis steckte allen im Gemüt. Sie konnte kaum verstehen, warum niemand ihrer Wächterinnen eine derartige Bestie auf den Patrouillen entdeckt
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