Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)
Schattenbild formen konnte, musste er die Gelegenheit ergreifen, untergründige Ängste und Befürchtungen in rein taktische Überlegungen zu verwandeln und dadurch einen gestaltlosen, ungreifbaren Schrecken auf ein praktisch anzugehendes Problem zu reduzieren.
„Einige von uns haben sich schon einmal mit einer ähnlichen Gefahr konfrontiert gesehen, wie die Homunkuli sie darstellen. Wir haben damals gemeinsam ein auf den ersten Blick überlegenes Wesen besiegt. Das war in Kvay-Nan, im Kampf gegen ein Wesen das man Ankchorai nannte. Wir haben es mit unseren Schwertern zerhackt und in die Hölle geschickt. Heute haben wir es mit Wesen zu tun, die Homunkuli genannt werden.“ Daraufhin hatte er ihnen die Frage gestellt, welche Lehren man aus dem damaligen Kampf für die jetzige Situation ziehen könne.
Es war zu wilden und hitzigen Diskussionen gekommen.
Dass man nur mit vielen gegen ein solches Wesen ankommen konnte, war offensichtlich. Dass dies als Team, als ineinandergreifender Organismus geschehen müsste, war der nächste Schritt, auf den sie ihr bisheriges Training schon vorbereitet hatte. Sie würden also ähnlich, wie das auch schon bisher in den Kleingruppen geschah, eine Taktik aufbauen und mögliche Abläufe entwickeln und trainieren, nur diesmal nicht auf einen vielköpfigen Feind sondern auf einen einzigen überlegenen Gegner ausgerichtet. Den Gegner reizen, dadurch Schwächen aufdecken, in diese Lücken schlagen, nachhaken und dann den Feind erledigen. Wie es gegen die Ankchorai geschehen war, nur diesmal von Anfang an und systematischer.
„Der Kampf hat sich damals erst in dem Moment gewendet, als diese rote Furie ihre Bewegungsfreiheit eingebüßt hat“, meinte Umanákhu mit einem Seitenblick auf Kudai. Von da an hatte sich ihnen damals eine Möglichkeit gezeigt, diese Kampfmaschine zu besiegen, und von da an hatten sie auch, neue Hoffnung fassend, als Team zusammengearbeitet.
Der entscheidende Hinweis zu dem Problem, wie man die Bewegungsfreiheit des Feindes einengen könnte, war von Crussav gekommen. Es gab in seiner Heimat Jagdmethoden, die auf Knüpf- und Wurftechniken von steinbeschwerten Seilen beruhten. Diese Seilfallen zogen sich dann um das einmal mit ihnen gefangene Tier bei jeder seiner Bewegungen nur noch enger zusammen. Die Surkenyaren fingen Büffel damit, aber auch Jagdkatzen und die großen Bären der Wälder und Berge. In Kudais Heimat kannte man ebenfalls solche Techniken, und so konnte er ebenfalls Kenntnisse einbringen, wie solche Seilfallen zu knüpfen waren.
Die beiden hatten gebastelt und sich mit Armee-Ingenieuren und Baumeistern von Kampfmaschinen beraten.
Das triumphierende Kampfgebrüll aus Eisenkrones Heer angesichts der Erfolge ihrer Geheimwaffe war abgeklungen. Auf den geheimnisvollen Wegen, auf denen sich Stimmungswellen und Intuitionen unter massenhaften Menschenkörpern ausbreiten, hatte sich selbst in jenen Reihen von Eisenkrones Heer, die nicht unmittelbar sahen, was mit den Homunkuli geschah, die Ahnung breitgemacht, das mit ihrer Geheimwaffe nicht alles nach Plan verlief.
Fast überall, wo die Kommandogruppen in Kämpfe mit den Homunkuli verstrickt waren, wurden die künstlich geschaffenen Kreaturen aus der Vergangenheit schwer bedrängt und kämpften nur noch erbittert aber aussichtslos dagegen an, von der Überzahl ihrer von allen Seiten auf sie eindringenden Angreifern erschlagen zu werden. Selbst bei dem ersten Trupp, dessen Angriff auf einen Homunkulus er beobachtet hatte und der es doch so unglücklich angegangen war, sah Auric im Vorbeireiten, dass der Kampf sich gegen das Kriegsgeschöpf aus tiefster Vergangenheit nun endlich wendete. Zwar schlug es noch wild um sich, fauchte und schnappte mit seinen massigen Kiefern nach seinen Bedrängern, doch war sein Körper gespickt mit den schweren, speerartigen Pfeilen der Armbrustschützen des dritten Ranges. Auf die Dauer konnte es nicht mehr standhalten; irgendwann mussten seine Kräfte versiegen.
Auric erlaubte sich einen Seufzer der Erleichterung.
Wir haben mit unserer Taktik recht behalten, dachte er. Eisenkrone hat auf die den Homunkuli vorausgehende lähmende Schreckenswirkung gesetzt und den Überraschungseffekt aufgegeben. Außerdem hat er sie übers Schlachtfeld verteilt – statt ihre Kampfkraft massiert zu halten –, damit sich die Wirkung ihres Terrors möglichst großflächig über das Heer seiner Feinde verteilt ausbreiten kann. Wir sind nicht in Panik verfallen sondern
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