Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)
Das Blut zum ersten Mal in der Schlacht sah und mit offenem Mund zu ihnen hinüber starrte.
„Komm, lass uns gehen! Das Horn hat zum Rückzug gerufen. Die schaffen das auch ohne deine Observation.“
„Die schaffen das sogar ohne deine hochgestochenen Wörter, Skrimare.“ Jag grinste ihn von der Seite an. „Machen wir, dass wir Land gewinnen und ins Lager kommen.“
Sie wandten jetzt dem Feind den Rücken zu, da sie sich sicher wussten, und trabten rasch im auseinander gezogenen Pulk ihrer Trupps auf den dunklen Fleck des Kiefernwäldchens zu, das sich eng an die steil ansteigenden Felsen des Hangs schmiegte.
„Ich denke nach unserem Ausfall ist Sense. Länger werden die uns das Wäldchen nicht mehr als Ausfallpforte durchgehen lassen“, sagte Jag und löffelte den dünnen Eintopf aus dem Napf in sich hinein. „Waren ohnehin blöd genug, das Wäldchen einfach als totes Feld abzubuchen. Jetzt werden sie‘s uns unter dem Arsch in Brand schießen.“
„Na ja, reinzugehen, um die Hauptmacht unserer Blockade zu umgehen, wär‘ ihnen aber auch schlecht bekommen“, meinte Auric. „Wir halten den Wald und hätten sie fertig gemacht.“
„He“, Jag ließ den Löffel sinken und wandte ihm feixend den Kopf zu, „du kriegst ja heute echt mal dein Maul auf. Hat dir einer der Surnyaken in der Schlacht den Stock aus dem Arsch gezogen.“
Auric zeigte Jag die Zähne und den Finger, und Jag lachte laut und dröhnend, schlug ihm schwer seine Pranke auf die Schulter. Das erste Freundschaftsangebot, das er aus den Reihen der Korporation erhielt; es wurde gefährlich eng.
Jag hatte absolut Recht. Auric hatte sich tatsächlich bisher immer für sich gehalten. Er war der Söldnerkorporation des Hauses Trevante beigetreten, weil er hier sein Geld verdienen wollte. Er hatte nicht vor, sich mit den anderen Söldnern zu verbrüdern. Typen von der Sorte hatte er in den Trupps der Skrimaren genug gekannt, als dass es für ein Leben reichen sollte.
Mit ihrem Schlag wollte er nichts mehr zu tun haben. Er wollte sich auf sie nicht mehr einlassen. Er wusste, wozu das führte.
Er sah manchmal in seinen Träumen die Gesichter von Vancrist, Kainen, Berngar, Sanfried und den anderen vor sich. Er sah sich selber, wie er sie in dieser wahnwitzigen Aktion gegen die Schlachtreihen der vraigassischen Vorverbände führte. Er sah sich mit ihnen steile Hänge hochkämpfen, Weinberge voll Blut und Dreck und Schreien, Jungen seines Alters verstümmelt am Wegrand zusammengebrochen, mit denen man gestern noch marschiert war, die man vorgestern noch verachtet hatte, Leichen aufgespießt auf Rebstöcke, wie eine Kompanie vom Sturm geknickter, zusammengesunkener Vogelscheuchen, markerschütternd brüllende Jungs, hilflos verheddert und zu Tode verwundet im Gewirr von Stöcken, Reben und Verspannungsschnüren gefangen, kaum noch zu erkennen, ob es welche der eigenen Seite oder die Verteidiger des vraigassischen Stammsitzes waren.
Nein, von Typen dieser Sorte hatte er wahrhaftig genug.
Wenn er den Eindruck hatte, dass ihn welche schräg anmachen wollten, streckte er die Schultern, ließ die Muskeln spielen und warf ihnen den Blick zu. Das reichte dann, dass sie sich trollten. Er hatte die Augen seines Vaters geerbt.
Dennoch kam er nicht umhin, ihren Gesprächen zuzuhören.
Vielleicht waren sie nicht alle die Hellsten, aber je mehr er hörte, umso weniger konnte er sich darauf berufen, der Einzige zu sein, der in seinem Leben nicht die Karten bekommen hatte, die er verdiente. Im Anbetracht der Schicksale, die sich aus Andeutungen und verstreuten Bemerkungen allmählich für ihn zusammensetzten, war er eigentlich noch einer der am wenigsten Gebeutelten dieser Schar. Jeder von ihnen hatte eine Geschichte, und die wenigsten machten das hier, weil sie Freude am Abschlachten hatten. Auch sie waren von da, wo sie geboren waren, weggegangen oder vertrieben worden, oft auf recht derbe Art. Wenn er also dieses Argument gegenüber dem Steinmetzen – Thyrin hab seinen kopflosen Kadaver selig – benutzt hatte, um sich von der stumpfen Schlächterbande aus dem Norden abzusetzen, dann verdiente auch jeder von diesen Kerlen hier, dass man zumindest einmal genauer nachfragte, bevor man ein Urteil über ihn fällte.
Umso wichtiger war es, klar abzustecken, worauf man sich einließ, und seine Prioritäten im Auge zu behalten. Er war hier aus gutem Grund, und er hatte ein Ziel. Er hatte eine klare Grenze gezogen. Auf seinem langen Weg
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