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Nirgendwo in Afrika

Titel: Nirgendwo in Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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gibt es keine Pferde. Der einzige Esel auf dieser Farm hat mich so oft abgeworfen, daß ich grün und blau war. Süßkind hat schrecklich gelacht und gesagt, afrikanische Esel könne man nicht reiten. Die ließen sich nicht für so dumm verkaufen wie die in deutschen Seebädern. Wenn du herkommst, wirst Du Dich auch daran gewöhnen müssen, daß es direkt ins Schlafzimmer regnet. Man stellt einfach einen Eimer auf und freut sich über das Wasser. Das ist nämlich kostbar. Vorige Woche hat es überall gebrannt. Ich war entsetzlich aufgeregt. Zum Glück war Süßkind gerade zu Besuch und hat mich über Buschfeuer aufgeklärt. Die gibt es hier immerzu.
    Es tut mir gut zu wissen, daß der größte Teil Deines Briefes überholt ist. Inzwischen wirst Du ja erfahren haben, daß Deine Tage in Breslau gezählt sind. Bei dem Gedanken, Euch beide hier zu haben, schlägt mein Herz wie einst im Mai, als wir uns eine große Zukunft ausmalten. Heute wissen wir beide, daß nur eines wichtig ist - das Davonkommen.
    Unbedingt weitermachen solltest Du mit Deinen Englischstunden, und es spielt wirklich keine Rolle, daß Dir der Lehrer nicht gefällt. Mit Spanisch kannst Du sofort aufhören. Das war doch nur für den Fall gedacht, daß wir Visa für Montevideo bekommen hätten. Um mit den Menschen auf der Farm zu reden, muß man Suaheli lernen. Da hat es der liebe Gott mal ausgesprochen gut mit uns gemeint. Suaheli ist eine sehr einfache Sprache. Ich konnte kein Wort, als ich nach Rongai kam, und jetzt bin ich schon soweit, daß ich mich leidlich mit Owuor verständigen kann. Er findet es wunderbar, wenn ich auf Gegenstände zeige und er mir dann die Dinge beim Namen nennen darf. Mich nennt er Bwana. So redet man hier die weißen Männer an. Du wirst die Memsahib sein (der Begriff wird nur für weiße Frauen gebraucht) und Regina das Toto. Das heißt Kind.
    Vielleicht kann ich bis zu meinem nächsten Brief schon genug Suaheli, um Owuor klarzumachen, daß ich die Suppe nicht gern nach dem Pudding esse. Pudding kann er übrigens wunderbar kochen. Beim erstenmal habe ich viele schmatzende Geräusche gemacht. Er hat zurückgeschmatzt, und seitdem kocht er jeden Tag den gleichen Pudding. Eigentlich müßte ich mehr lachen, aber es lacht sich nicht gut allein. Nachts schon gar nicht, wenn man sich nicht gegen die Erinnerungen wehren kann.
    Wenn ich bloß schon Nachricht von Dir hätte und ob Ihr Schiffskarten habt. Wer hätte je gedacht, daß es so wichtig werden könnte, aus der Heimat herauszukommen. Jetzt gehe ich zum Melken. Das heißt, ich sehe zu, während die Boys melken, und lerne die Namen der Kühe. Das lenkt ab.
    Schreib bitte sofort, wenn Du meine Briefe bekommst. Und versuche, Dich so wenig wie möglich aufzuregen. Du kannst sicher sein, daß meine Gedanken Tag und Nacht bei Euch sind.
    Einen dicken Kuß für Euch beide, Deine Mutter und Deine Schwester.
    Dein alter Walter Rongai, den 15. März 1938
    Meine liebe Jettel!
    Heute kam Dein Brief vom 31. Januar. Er hat mich sehr traurig gemacht, weil ich Dir gar nicht helfen kann in Deiner Angst. Ich kann mir gut vorstellen, daß Du jetzt sehr viel Trauriges hörst, aber das müßte Dir auch zeigen, daß das Schicksal nicht nur uns getroffen hat. Es stimmt übrigens nicht, daß nur ich allein ausgewandert bin. Hier sind viele Männer, die erst versuchen wollen, eine Existenz zu schaffen, ehe sie die Familie nachholen, und die sind nun in der gleichen Lage wie ich - nur ohne das Glück, daß ein rettender Engel wie Rubens eingegriffen hat. Du mußt fest daran glauben, daß wir uns bald wiedersehen. Das sind wir dem lieben Gott schuldig. Es hat auch keinen Zweck, darüber zu grübeln, ob wir besser nach Holland oder nach Frankreich gegangen wären. Wir hatten ja gar keine Wahl mehr, und wer weiß, wozu es gut ist.
    Es ist nicht mehr wichtig, daß sie Regina nicht in dem Kindergarten nehmen wollen. Und es spielt auch keine Rolle für unser ferneres Glück, daß Dich Leute nicht mehr grüßen, die Du seit Jahren kennst. Du mußt jetzt wirklich lernen, Unwichtiges von Wichtigem zu unterscheiden. Unser Leben nimmt keine Rücksicht mehr darauf, daß Du als verwöhnte höhere Tochter aufgewachsen bist. In der Emigration zählt nicht das, was man war, sondern nur, daß Mann und Frau am selben Strang ziehen. Ich bin sicher, daß wir es schaffen. Wenn du nur schon hier wärst und wir damit beginnen könnten.
    Einen ganz dicken Kuß für Euch beide Dein alter Walter
    Rongai, den 17. März

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