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Nixenblut

Nixenblut

Titel: Nixenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Dunmore
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Erschöpfung.
    »Schieb ihn weiter rauf, Faro, ich kriege ihn nicht zu fassen! «
    Ich höre Faros rasselnden Atem, doch für Mitleid bleibt keine Zeit.
    »Stell seinen Fuß auf die Sprosse und stoß ihn nach vorne. Lass ihn nicht zurückfallen!«
    Schließlich gelingt es uns. Gray kippt nach vorne und landet der Länge nach neben seinem Tauchpartner.
    Ich kauere mich neben Roger und taste nach seinem Puls. Meine Finger bohren sich in sein kaltes Fleisch, doch ich kann ihn nicht finden. Panisch drücke ich noch stärker.
    »Nicht da!« Conor stößt mich beiseite, schiebt den Ärmel des Taucheranzugs nach oben und findet die richtige Stelle. Für die längsten Sekunden meines Lebens sehe ich nur Conors konzentriertes Gesicht.
    Er spürt keinen Puls. Roger ist tot. Roger ist tot und ich konnte es nicht verhindern. Ich habe es versucht, doch wir kamen zu spät.
    Es ist alles meine Schuld. Roger wusste nicht, was er tat. Wir haben ihn zum Riff fahren lassen.
    Entsetzen packt mich. Ich hätte Roger retten können. Ich
hätte ihn vor Indigo und dem Riff warnen, es zumindest versuchen müssen, auch wenn er mir nicht geglaubt hätte. Aber ich habe es nicht versucht. Mum …
    »Ich hab ihn! Er schlägt!«
    »Er lebt, er lebt! Er wird wieder gesund werden, er ist nicht tot …«
    »Schrei nicht in mein Ohr, Saph, sondern versuch, Grays Arm freizubekommen.«
    Grays Arm ist unter Rogers Körper eingeklemmt. Conor zieht, während ich schiebe. So bekommen wir ihn frei. Erneut drückt Conor in das kalte, schlaffe Fleisch.
    »Hier! Ich hab den Puls. Wir hätten zuerst dafür sorgen sollen, dass sie frei atmen können.«
    Ich drehe Roger mit dem Gesicht nach oben und spüre einen warmen Hauch an meiner Wange. Luft. Menschlicher Atem.
    »Wir müssen sie in die stabile Seitenlage bringen.«
    Sie atmen und ihre Herzen schlagen. Wir drehen sie, so gut es geht, in die stabile Seitenlage. Dann hocken wir uns mit schmerzenden Armen und Rücken daneben. Mir ist übel vor Erleichterung. In diesem Moment stöhnt Roger gequält auf, rollt sich herum und öffnet die Augen. Er scheint weder zu wissen, wer ich bin, noch, wo er sich befindet. Er starrt einen Moment vor sich hin, als könne er die Eindrücke nicht verarbeiten, ehe seine Augen wieder zufallen.
    »Roger hat mich angeschaut! Er hat die Augen aufgemacht. «
    »Schnell, wir müssen ihnen die Sachen ausziehen. Roger hat Rettungsdecken in seinem Spind.«
    »Rettungsdecken?«

    »Ja, um Menschen vor Unterkühlung zu bewahren, falls beim Tauchen was schief geht. Roger hat es mir erklärt.«
    »Sie erholen sich doch wieder, oder?« »Ich glaube schon. Vermutlich haben sie einen Schock. Das ist gefährlich. Wir müssen sie gut warmhalten.«
     
    Für eine ganze Weile haben wir Faro und Elvira völlig vergessen. Wir denken gar nicht daran, dass sie immer noch da sind, im Schatten des Bootes, und unseretwegen an der Luft verharren.
    Dass Roger und Gray atmen, ist alles, was zählt, auch wenn ihre Gesichter grau sind und ihre Haut kalt ist. Irgendwie schaffen wir es, sie von ihrer Ausrüstung zu befreien. Conor kennt sich inzwischen ein bisschen damit aus, weil Roger es ihm erklärt hat. Ich glaube, wir beschädigen irgendetwas, aber das ist jetzt unwichtig. Wir zerren ihnen die Neoprenanzüge vom Leib und wickeln sie in die Rettungsdecken. Ich habe mal gehört, dass man am Kopf am meisten Wärme verliert, also fangen wir ganz oben an und lassen nur die Gesichter frei. Sie sind jetzt halb bei Bewusstsein. Roger zittert. Ich ziehe die Rettungsdecke enger um ihn zusammen.
    Sie sehen wie Außerirdische aus in ihren Folien, die in der Sonne glitzern. Doch ihre Gesichtsfarbe hat sich schon gebessert, da bin ich ganz sicher. Sie ist immer noch blass, aber nicht mehr grau. Über Grays Gesicht verläuft ein langer, tiefer Kratzer, aus dem immer noch das Blut sickert. Ein Kratzer, der von den Krallen einer Robbe verursacht wurde. Ob er sich daran erinnert? Wenn ich daran denke, wie nahe sie dem Tod waren, zittere ich, doch nicht aus Angst, sondern aus Traurigkeit über die ganze Situation.
Roger und Gray hatten sich nach Indigo verirrt, ohne sich über die Folgen im Klaren zu sein. Und auch wir haben nicht wirklich gewusst, was geschehen würde. Die Luft und Indigo verfeindet … die fürchterliche Vergeltung der Robben … ölverklebte Seevögel – all das, was wir Menschen Indigo antun, kommt mir zu Bewusstsein und verursacht mir Übelkeit.
    »Du brauchst nicht zu weinen, Saph. Sie erholen sich schon

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