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zum
nahegelegenen Cosmopolitan-Hotel.
Der Blick, die Champs-Elysées
hinunter, wird von Touristen verstellt. Neun Millionen
einundfünfzigtausendundeinhundertfünfzehn Francs hat der Arc de Triomphe
gekostet. Damals, als der Franc noch nicht chronisch kränkelnd am Ende einer
Währungsschlange herumzukrebsen pflegte. Aber, so hat sich der Paris-Besucher
Alfred Polgar gemerkt, „Triumphe, die einen Bogen bekommen, kosten nicht nur
viel Geld, sondern auch viel Leben. ,Mort pour la patrie’ steht eingemeißelt
auf der steinernen Platte. Vielleicht sollte es richtiger heißen: Mort par la
patrie.“ Gestorben also nicht für, sondern durch das Vaterland.
Zwölf Straßen zweigen sternförmig vom Arc de Triomphe in alle Himmelsrichtungen
ab. Fast alle sind sie nach (meist siegreichen) Generälen oder nach (stets
gewonnenen) Schlachten der Napoleonischen Kriege benannt. Die Avenue Friedland
zum Beispiel. Wie kann man, kommt mir in den Sinn, bei Friedland Krieg führen?
Der Sieg bei Friedland, so verrät die Historie, bereitete die Einnahme von
Königsberg vor, was — wie vergänglich sind doch Kriegserfolge — nicht von
ewiger Gültigkeit war.
Nach ein paar Minuten stoße ich
auf das Balzac-Denkmal des konventionell arbeitenden Bildhauers Alexandre
Falguière. Welchen Wirbel hatte das Bemühen ausgelöst, einem der größten
Schriftsteller Frankreichs eine Skulptur zu widmen! Mit Empörung hatte das
offizielle Paris den in Auftrag gegebenen Entwurf Auguste Rodins zurückgewiesen,
der Balzac in einen Morgenrock gesteckt hatte. Also wurde Falguière damit
beauftragt, ein alternatives und respektvolleres Modell zu entwerfen. So sind
heute zwei gänzlich verschiedene Balzac-Statuen in Paris zu bewundern, das
Rodinsche Monument am Montparnasse und der nachgefertigte Falguière an der
Avenue Friedland.
Die Pariser haben ihren Balzac
nicht vergessen. Auch wenn sie ihm, anders als bei Dumas oder Zola, bei Victor
Hugo oder Voltaire, keine nach ihm benannte Metro-Station zuteil werden ließen
(dem Balzac-Bildhauer Falguière dagegen sehr wohl!). Aber so sehr sich auch
vielerlei Episoden seines umfangreichen Romanschaffens nachwandern lassen im
glücklicherweise kaum zerstörten Paris (- wenn nicht gerade der erwähnte Baron
Haussmann zugeschlagen hatte — ), so bleibt doch zu vermerken, daß es zwar das
liebevoll ausgestattete Balzac-Haus im 1 6. Arrondissement gibt, sein
letztes Wohnhaus jedoch bald nach seinem Tod abgerissen wurde. Die
einflußreiche Familie Rothschild erwarb das Gelände und ließ inmitten eines
prächtigen Parks die Villa Rothschild erbauen, bis zum heutigen Tag ein
kultureller Treffpunkt der Stadt.
Am 6 . Mai 1932 wurde dort während
einer Buchausstellung der Präsident der französischen Republik, Paul Doumer,
von einem angeblich geistesverwirrten Attentäter, dem Exil-Russen Gorguloff
erschossen. Das Motiv der Tat wurde nie geklärt. Es belegt den französischen
Sinn für historische Anekdoten, daß die Fensterscheibe, die von der Kugel
durchschlagen wurde, nachdem sie Doumer getötet hatte, sorgsam aufbewahrt wurde
und noch heute in einer kaum beachteten Vitrine im Treppenflur des Hauses
ausgestellt ist.
Die Morde, mit denen unser
Freund Nestor Burma in regelmäßigen Abständen konfrontiert wird, machen weniger
Schlagzeilen. So findet sich am Wohn- und Sterbehaus des neugierigen
Journalisten Jules Rabastens zwar wiederum ein Hinweis auf Balzac — auf den
Schriftsteller beruft sich in diesem Fall eine Pizzeria — , nicht aber ein
aufklärendes Hinweisschild an der baufälligen Außenwand.
Bliebe vor dem Ausblick auf die
Wohnung des Ehepaars Laumier am Boulevard Malesherbes der lohnenswerte
Abstecher zum Park Monceau. Kein Wunder, daß Malet der unglücklichen Lucie
Ponceau „eine kleine Villa“ am Rande des Parks vermacht („Ponceau-Monceau!
reimt sich sogar!“) Malet notiert: „Ein hübscher Renaissance-Bau, der durch
einen kleinen Garten von der Straße getrennt war.“ Nicht schwer oder zu schwer,
dieses Gebäude zu finden. Sozialer Wohnungsbau ist am Rande des Parks nicht
angesagt. Es spricht für die großzügigen Gagen, die Lucie Ponceau während ihrer
ruhmreichen Zeit eingestrichen haben muß, daß sie dort Domizil nahm.
Der Park selbst ist eine Art
Märchengarten. Reizvoller vielleicht noch, skurriler gewiß, als der am linken
Seine-Ufer gelegene Jardin du Luxembourg. An die Zeit seiner Entstehung
erinnern noch eine ägyptische Pyramide, eine Grotte und schließlich auch
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