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scheinbar
charmant stockwedelnde Flic zur lächerlichen Randfigur gerät, da bestenfalls
Touristen auf ihn achten.
Die Champs-Elysées kann und
will man ja auch nicht außer acht lassen, wenn man
dieses Viertel durchquert, auf Nestor Burmas Spuren.
Schnurgerade ziehen sich die
Elyseeischen Felder von der Place de la Concorde zum Arc de Triomphe, der
Etoile, dem zu Recht so genannten Stern also, und da man ja einen Platz mit dem
Namen des Generals versehen wollte, so heißt er denn heute offiziell Charles de
Gaulle, auch wenn dies eben nur offizieller Sprachgebrauch ist und wohl auch
bleiben wird.
Soll man die Champs-Elysées nun
hinaufwandern, fast 350 Bäume
auf jeder Seite zählend, oder aber hinab, was nicht viel lustiger ist?
Es war, es ist und es bleibt
eine Pflichtübung. Der gute alte Nestor konnte nicht umhin, da es sich sein
Ziehvater Léo Malet nicht anders ausdenken wollte, die sogenannte Prachtstraße
zur Kulisse zu wählen. Dabei sind die Elyseeischen Felder den Gefilden der
Seligen längst entrückt. Das mythologische Vorbild sahen Vergil und Plutarch im
Erdkern, Platon am anderen, noch unerforschten Ende der Welt.
Die Pariser
Champs-Elysées hatte Maria von Medici, die Gattin Heinrichs IV. und Mutter Ludwigs XIII.,
anlegen lassen. Sie trugen damals den Namen „Grand Cours“ (Großer Korso). Viel
später erst, im zweiten Kaiserreich zur Mitte des 19. Jahrhunderts, wurden sie
eine Promenade à la mode.
Heute findet der Bummelant ein
grelles Gemisch vor aus Licht und Lärm, 1880 Meter lang, voller Geschichte und
Geschichten. Hier feiert Frankreich am 14. Juli seinen Nationalfeiertag. Hier
haben preußische, britische und russische Truppen nach dem Sieg über Napoleon
ihre Zelte aufgeschlagen, hier war um die Jahrhundertwende der Treffpunkt der
Belle Epoque. In den Parkanlagen spielte der junge Marcel Proust und Balzac
hatte hier eines seiner zahlreichen Verstecke, um seinen noch zahlreicheren
Gläubigern zu entgehen.
Heute an den Champs-Elysées zu
wohnen, gilt längst nicht mehr als Nobeladresse. Dort zu arbeiten (oder
arbeiten zu lassen) freilich schofi. Denn an den Champs-Elysées werden in
erster Linie Geschäfte gemacht. Industriekonzerne haben dort ihr Büro, Banken
und Versicherungen, Fluggesellschaften und Autofirmen. Daneben rangieren
Boutiquen, oft ein wenig in den zahlreichen Passagen versteckt. Juweliere haben
sich hier eingenistet und die Modehäuser. Was in den inzwischen weit
vornehmeren Seitenstraßen entworfen wird, ist hier zu kaufen.
Die Champs-Elysées als
klischeehaftes Schaufenster des luxuriösen Paris. Ein Hauch von
Exhibitionismus. Mit dabei die modernen Marketender. Wer gut kauft, will auch
gut essen. Und wer gut und teuer gegessen hat, will auch gut (und notfalls
teuer) unterhalten werden. Die Touristen-Falle Pigalle läßt grüßen. Glanz und
Glimmer beherrschen die Szene, wenn die großen Bürohäuser die Türen geschlossen
haben. Aber bei den Parisern selbst haben die Champs-Elysées an Kredit
verloren. Sie sind staatenlos geworden, fest in der Hand der Ausländer, des
Business und der Touristen.
Die Kosten sind hoch. Selbst
für kleinere Läden liegen die Jahresmieten selten unter 100 000 Mark.
Nebenkosten nicht eingerechnet. Versicherungs-Prämien, Wachdienste,
Energiekosten usw. Einen Versandhandel kann man auch an der Peripherie
ansiedeln — die Champs-Elysées sind auf Laufkundschaft angewiesen. Aber, so
klagt ein Einzelhändler, den ich darauf anspreche, es ist keine elyseeische
Kundschaft, was immer er damit meinen mag.
Es ist eben schon lange nicht
mehr nur der Luxus, der sich hier festgesetzt hat. Sterile Kino-Paläste sind
entstanden und vor allem Schnellimbiß-Buden. Das lockt jugendliches
Vorstadt-Publikum an mit viel Unternehmungsgeist, aber wenig Geld in den
Taschen. Und das ist den Pelz-Boutiquen und den kleinen feinen Läden mit den
teuren Stoffen und dem noch teureren Schmuck ein Graus. Und weil die einen mit
den anderen nichts anzufangen wissen, gehen die Geschäfte nicht mehr so gut und
es kommt verstärkt zu Aggressionen. Nicht nur im Dunstkreis von Nestor Burma.
Aber das ist nicht neu. Noch zu
Beginn des vorigen Jahrhunderts galt das Viertel als gar nicht gut beleumundet.
Die noble Avenue Montaigne, in die Malet den Camera-Club plazierte, hatte
damals den Beinamen ,Witwen -Allee’, wobei durchweg
lustige Witwen gemeint waren. Heute ist die Avenue Montaigne eine der
allerbesten Wohnadressen von Paris. Wer es sich leisten kann, steigt in
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