No Sex in the City
Dauerregen, auf der du am selben Tag dein Regencape, dein Pausenbrot und deine Unschuld verloren hast?«
Katie sah sie neugierig an.
»Nicht dass mir das je passiert wäre. Oder irgendjemandem, den ich kenne«, beeilte Olivia sich zu sagen. »Aber das ist nicht der Punkt. Wie kann man in Indien gewesen sein, aber nicht in Schottland?«
»Warst du je in Nordirland?«
»Das ist auch nicht der Punkt. Ich bin nicht diejenige, die zu einem Bewerbungsgespräch in ein Land fährt, über das sie nichts weiß. Übrigens solltest du dich überhaupt nicht erst hinbegeben, weil ich dich für die Zahnpasta mit Margaritageschmack brauche. Wo willst du denn Geld wechseln? Wird man sich deine Arbeitserlaubnis anschauen?«
Katie riss die Augen auf. »Ich brauche eine Arbeitserlaubnis?«
Olivia rang die Hände. »Oh Gott. Das geht alles ganz grauenhaft in die Hose, und wir, deine treuen, einsamen, überarbeiteten, unterbezahlten, altjüngferlichen Singlefreundinnen müssen uns in unserem straffen Arbeitsplan Zeit freischaufeln, um am traurigen Ende die Reste einzusammeln. In etwa einem Monat.«
Mit dem Geld hatte sie allerdings recht, dachte Katie und tastete in ihrer Manteltasche danach. Sie hatte nicht einmal gewusst, dass es noch Pfundnoten gab.
Der Brief war kurz gewesen.
Sehr geehrte Ms Watson,
die Forstverwaltung Fairlish lädt Sie hiermit zu einem Bewerbungsgespräch ein, und zwar am Dienstag, dem 20. April, um 16.30. Sie werden am Bahnhof abgeholt. Es besteht die Möglichkeit zur Fahrtkostenrückerstattung.
Herzliche Grüße Harry Barr
Katie hatte den Brief hundertmal studiert und versucht, zwischen den Zeilen zu lesen, auch wenn es davon zugegebenermaßen nicht wirklich viele gab. Sollte sie dort übernachten (angesichts der Länge der Reise war das wohl kaum anders möglich, wenn man sich nicht für die Anreise per Hubschrauber entschied)? Sollte sie selbst Informationen über die Forstverwaltung einholen? Sie hatte sich einem Crashkurs über Nationalparks unterzogen, fürchtete aber, dass ihr Mangel an Erfahrung in dem Moment, da sie erstmals den Mund öffnen würde, sofort ans Tageslicht treten würde. Hinzu kam ihr südlicher Akzent, mit dem sie sich bei den vier Malen, die sie Anschlusstickets hatte kaufen müssen, wenig Freunde gemacht hatte.
Sie zog ihr verknittertes Bewerbungskostüm von Tara Jarmon heraus. Auch das ein Riesenfehler vermutlich. Sie hätte einen wasserdichten Overall mit Barbourjacke tragen sollen. Nein, vergiss es - Gummistiefel waren das einzig Angemessene. Wo war sie eigentlich gerade? Der Zug hatte schon an vielen Stationen gehalten, die allesamt mitten in der Pampa lagen - Dundonnell, Gairloch . Bahnsteige mit jeder Menge Landschaft drum herum.
Die wenigen Leute im Zug waren alle ausgestiegen, auch die Frau mit dem Schaf, und zurück blieben nur noch Katie, ihre Aktentasche, ein Kopf voller unverständlicher Phrasen wie »vernünftiger Rückschnitt« und »nachhaltige Entwicklung« und ein wachsendes Gefühl von Panik.
Der winzige Zug fuhr durch ein breites, überdimensioniertes Tal und hielt dann allmählich an. Ein verwittertes Schild verkündete: Fairlish - Fhearlis. Schockartig aus ihren Träumen gerissen, sprang Katie auf und stolperte hinaus.
Der Bahnhof bestätigte ihre schlimmsten Befürchtungen. Sie drehte sich einmal um sich selbst. Über den violetten Bergen schob sich eine finstere Wolke am Himmel entlang. Kein Gebäude befand sich am Bahnhof. Hier war nur ein Haltepunkt, ein Bahnsteig im Freien.
»Verflucht«, sagte Katie laut. Niemand konnte sie hören, nur ein paar riesige Vögel segelten friedlich über den Himmel.
Ein alter kaputter Fahrplan hing am Bahnsteig, aber sie brachte nicht die Kraft auf, einen Blick darauf zu werfen. Sie fühlte sich müde, schmutzig von der Reise, hungrig und so weit weg von London wie noch nie in ihrem Leben - jedenfalls weiter weg, als sie sich in j enem J ahr in Goa gefühlt hatte, unter all den Briten, Kiwis, Australiern und Südafrikanern. Hier gab es nichts, und sie wusste nicht, was sie tun sollte. Wenn sie an die endlosen Weiten und die warmen Farben Indiens zurückdachte, dann immer mit einem Gefühl der Freiheit.
Über ihr grummelte es. Katie sah hoch. Die Vögel waren verschwunden. Die Wolke war nun gegen den Berg geprallt. Kleine Tröpfchen verwandelten sich in einen Wolkenguss. Katies blauer Navy-Mantel, auf den sie ziemlich stolz war, hielt dem nicht annähernd stand. Innerhalb von dreißig Sekunden war die Wolle
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