No Sex in the City
mit alten Freunden vom College, die alle mal sportlicher und schlanker gewesen waren. Man saß auf dem Sofa, und Louise kochte Pasta.
Louise fand ihn großartig, und Katie und Olivia fanden ihn akzeptabel, was in der gegenwärtigen Situation schon etwas heißen wollte. Louise war bei ihm eingezogen, und für alle sah es so aus, als würde es immer so weitergehen. Louise war in Gedanken schon bei Verlobungsringen, Flitterwochen, gemeinsamem Tafelservice .
Dann kam Katies Schwester zu Besuch, damals, als Katie noch ein Gästezimmer hatte. Zweiundzwanzig und gerade frisch vom College. Sie hatte es faustdick hinter den Ohren, immer schon. Es gab kaum ein Foto aus ihrer Kindheit, auf dem sie nicht brüllte oder die Zunge herausstreckte. Die Universität von Manchester hatte sie mit bunten Haaren und Piercings verlassen, in einem knappen Kampfhöschen. Nichts Essbares war vor ihr sicher, sie wog fünfundvierzig Kilo und blieb die ganze Nacht weg, um in mysteriösen Nightclubs zu tanzen und Drogen einzuwerfen. Katie kam sich vor wie ihre eigene Mutter.
»Tja, mein Chakra-Therapeut würde sagen, das geschieht dir recht. Warum musstest du immer das gute Kind sein?«, erläuterte Olivia rüde. »Wenn du dich auch mal danebenbenommen hättest, wärt ihr beide ein bisschen mehr im Gleichgewicht, und sie würde nicht stets den Rahm abschöpfen.«
»Sie ist ein Freigeist«, erklärte Katie unbehaglich. Sie saßen in der Küche und versuchten, die laute, rhythmische Urwaldmusik zu ignorieren, die seit sechsunddreißig Stunden aus dem Nebenzimmer herüberdröhnte und eine dreitägige
Friedensperiode abgelöst hatte, als Clara in Glastonbury gewesen war. (Clara war ihr eigentlicher Name; von ihren ausgeflippten Freunden ließ sie sich Honey nennen.)
»Sie kriegt dich noch dahin, dass du ihr Unterhalt zahlst«, sagte Louise und rümpfte die Nase.
»Was soll ich tun, soll ich mit Mutter darüber reden?«
Ihre Mutter lebte extrem zurückgezogen in Blackburn -ihr Vater hatte nie viel von sich hören lassen, von gelegentlichen Weihnachtsgeschenken mal abgesehen -, und sie war immer erstaunt darüber, was ihre Töchter so alles hinbekamen, die Straße überqueren, einen Job finden, eine Hypothek aufnehmen, ohne mit der Wimper zu zucken den Horror der modernen Welt ertragen.
»Hey!« Clara polterte herein. Sie war sonnengebräunt vom Sommermusikfestival und von allerlei Demonstrationen, wirkte in ihrer Batiklatzhose sehr zerbrechlich und schien sich Dreadlocks wachsen zu lassen.
»Deine Haare riechen komisch«, sagte Katie. Sie hatte den Sommer damit verbracht, eine Kampagne für essbare Blumen zu planen. Ohne Erfolg.
Clara zog einen Schmollmund. »Entspann dich doch mal. Möchtest du eine Massage?«
»Nein, natürlich möchte ich keine Massage. Mein Kontaktbedürfnis ist nicht so überwältigend, dass ich dich mit deinen Nägeln an meinem Rücken herumkratzen lasse. Ich habe nie vergessen, wie du meine Barbies zugerichtet hast, ganz zu schweigen von menschlichen Wesen.«
»Wie soll ich je einen Massagesalon aufmachen, wenn ich nicht üben darf?«
»Du willst dich mit Massage selbstständig machen?«, fragte Olivia. »Bietest du auch Extraleistungen an?«
»Sie hat Bio-Engineering studiert. Natürlich macht sie keinen Massagesalon auf«, sagte Katie. Der Altersunter-schied von vier Jahren relativierte sich angeblich mit der Zeit, sie konnte aber bisher keinen Hinweis darauf erkennen.
»Jetzt kommt das wieder . ob ich vielleicht gar keinen Abschluss habe«, sagte Clara und streckte wie immer die Zunge heraus. »Macht allerdings nichts. Bevor ich mich selbstständig mache, gehe ich sowieso erst mal nach Indien.«
Katie seufzte bei diesem Gedanken. Sie machte ihren Job jetzt zwei Jahre, arbeitete unentwegt und lebte von einem Minigehalt. Klar machte es Spaß, dieses Leben eines Nachwuchstalents - sich nach der Arbeit mit Freunden auf einen Drink zu treffen, sich wahnsinnig erwachsen und wichtig zu fühlen. Aber sie trauerte dem halben Jahr in Indien, wo sie nach ihrem Uniabschluss herumgereist war, doch hinterher. Das Gefühl, entkommen zu sein, etwas ganz anderes zu machen, mit jungen Leuten aus der ganzen Welt von Kokosnüssen und frischer Luft zu leben, das war es gewesen. Und jetzt war sie eifersüchtig auf ihre kleine Schwester, die genau dasselbe machen wollte. Wie konnte sie sich mit neunundzwanzig nur von nostalgischen Gefühlen leiten lassen? Und mal ehrlich gesagt - was tat sie hier schon Großartiges?
Damals war
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