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no_way_out (German Edition)

no_way_out (German Edition)

Titel: no_way_out (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Gabathuler
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weiter hinten in den Hügeln, am Ende einer engen Schlucht, in einem Talkessel, umgeben von Felsen und Wildnis, eins, das er auf seinen Streifzügen entdeckt hatte, und das ihm so gut gefallen hatte, dass er ein paar Nächte dort geblieben war.
    »Ist nicht mehr in so gutem Zustand, aber für deinen Zweck ist’s perfekt, weit weg von allem, menschenleer, kannst sogar bis auf wenige Meter an das Ding heranfahren, alles auf Nebenwegen, wollte da schon lange mal wieder hin, ist schön ruhig dort, gut zum Fischen, aber das willst du wahrscheinlich gar nicht, na ja, auch egal.« Er holte tief Luft und grinste. »Genau das, was du brauchst.«
    Ich war mir nicht so sicher. Der Gedanke, mich in einer Art natürlicher Sackgasse einzubunkern, gefiel mir nicht, aber ich musste weg von den Hauptverkehrsadern und bewohnten Gegenden, in denen jeder einzelne Bulle dieses Landes nach mir Ausschau hielt. Für den Anfang schien die Schlucht in Ordnung. Wenn die erste große Welle der Suchaktion durch war, konnte ich immer noch verschwinden. Ich griff nach der Tüte und legte sie neben meine Tasche auf den Rücksitz.
    »Willst du nicht schnell nach deiner Geisel sehen?«, fragte Smiley. »Ich meine, vielleicht muss sie mal. Du weißt ja, Frauen müssen andauernd.«
    »Sie ist still«, fuhr ich ihn an. »Wenn sie wirklich müsste, würde sie ganz schön laut schreien, glaub mir.«
    »Du magst sie nicht«, stellte Smiley fest.
    »Nein.«
    Ich dachte an ihre giftigen Worte, an die Sache mit dem Foto, aber dabei sah ich sie die ganze Zeit vor mir, wie sie unter der Tür gestanden und geschrien hatte. Wie sie dalag und plötzlich keine Tusse mehr war, sondern ein Mensch mit einer Seele und einer weißen Linie an ihrem Handgelenk, dieser verdammten weißen Linie, die alles veränderte, ob ich wollte oder nicht, denn weiße Linien an Handgelenken erzählen Geschichten, und keine dieser Geschichten ist gut. Nie.
    Smiley gab nicht auf. »Und du magst wirklich nicht drüber reden?«
    »Keine Zeit«, sagte ich.
    »Ich fahr ein Stück mit dir mit.«
    »Nein!«
    »Nur ein Stück. Echt. Dann steig ich aus und gehe die Bullen anrufen. Versprochen.«
    »Na gut«, seufzte ich. »Ein Stück.«
    Die Wahrheit ist, dass ich froh war, nicht allein losfahren zu müssen.
    »Bin ganz Ohr«, verkündete Smiley, als wir wenig später über einen ziemlich holprigen Waldweg schaukelten.
    Ich erzählte ihm alles. Zumindest das, woran ich mich erinnern konnte. Er unterbrach mich kein einziges Mal. Nachdem ich fertig war, stellte er ein paar Fragen. Zu Jake. Zu Jakes Lady. Zu Edy.
    »Hast du dir überlegt, warum der Typ genau dich angefahren hat?«
    Ich fand das eine seltsame Frage.
    »Einfach so«, sagte ich. »Zufall. Falscher Ort, falsche Zeit.«
    »Es gibt keine Zufälle«, antwortete Smiley.
    Ich glaubte nicht an diese Theorie. Wenn es keine Zufälle gab, war alles vorbestimmt. Auch mein Leben. Der Gedanke, dass irgendeine Macht mir all das bewusst angetan hatte, war unerträglich. Ich zuckte mit den Schultern.
    »Man erzählt sich Dinge«, sagte Smiley leise, in diesem Ton, den Verschwörungstheoretiker unter sich anschlagen. »Du weißt schon. Die Gerüchte über Verbrechen, die Leuten wie uns untergeschoben werden.«
    Man erzählte sich vieles. Was nicht bedeutete, dass es auch stimmte, und schon gar nicht, dass man daran glauben musste. Ich schwieg, denn in dieser Sache waren Smiley und ich uns nicht einig geworden.
    »Versprich mir, wenigstens darüber nachzudenken«, bat er.
    »Mach ich«, versprach ich, weil es ihm offensichtlich wichtig war.
    »Anhalten!«, rief er.
    Ich trat heftig auf die Bremse. »Was ist?«
    »Hier muss ich raus.«
    »Genau hier?«
    »Nein, warum?«
    Er hatte mich zu Tode erschreckt, aber er konnte nichts dafür. Es war sein Kopf. Smiley tickte so.
    »Soll ich dir noch einmal erklären, wo’s langgeht?«, fragte er.
    Ich schüttelte den Kopf. Smiley hatte mir den Weg genau beschrieben, das reichte. Ich konnte mir merken, was Leute mir sagten. So, wie es Menschen gibt, die ein fotografisches Gedächtnis haben, setzen sich gesprochene Dinge in mir fest, nicht immer gleich abrufbar, aber sie sind da. Manchmal laufen in meinem Kopf ganze Replays von Dialogen ab. Zum Beispiel die mit einer überheblichen Tusse, für die ich stinkender Müll war. Das machte es einfacher, Edy im Kofferraum schmoren zu lassen. Zumindest versuchte ich mir das einzureden. Ich durfte einfach nicht an die weiße Linie denken.
    »Pass auf dich auf«, sagte

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