no_way_out (German Edition)
ich es getan. Ich meine, sie aussteigen lassen. Doch dann entschied ich, dass ich nicht sterben wollte, und wenn ich nicht sterben würde, würde sie auch nicht sterben. Also konnte ich sie im Kofferraum lassen. Es dauerte nicht mehr lange. Ich würde tun, was Smiley mir gesagt hatte. Ich würde diesen verdammten Steilhang hinunterfahren und mit der genau richtigen Geschwindigkeit diesen verdammten Fluss furten.
»Achtzehn Meter«, flüsterte ich. »Dagegen ist das hier nichts!«
Elektrische Fensterverriegelung , sagte Smiley in meinem Kopf. Lass die Dinger runter. Für alle Fälle.
Ich öffnete alle Fenster und gab Gas.
Der Wagen rutschte nach vorn. Augenblicklich gewann er an Fahrt. Nicht zu schnell, dachte ich und bremste ab. Tiefer Gang. Was für ein Witz! Die meiste Zeit war ich im ersten oder im zweiten Gang gefahren, weil das Gelände gar nicht mehr zugelassen hatte. Den zweiten Gang hatte ich auch jetzt drin, aber nun heulte der Motor auf und lief auf Höchsttouren. Ich wurde so heftig durchgeschüttelt, dass ich mich mit aller Kraft am Lenkrad festhalten musste. Unter mir knirschte es. Von Kontrolle über die Steuerung konnte keine Rede sein. Am schlimmsten war das Wasser, dem ich entgegenschoss. Ich schrie nicht. Edy auch nicht mehr. Als ob wir dem Schicksal entkommen konnten, wenn es uns nicht hörte.
Johanna Candinas @JoJoCan
Kämpfe! Mutig und entschlossen. Aber überschreite nie die dünne rote Linie, die dich von deinem dunklen Ich trennt. #GfLeon
Wasser spritzte durch das offene Fenster. Mein Kopf knallte gegen die Windschutzscheibe. Der Wagen stand beinahe still. Ich drückte das Gaspedal herunter. Trotzdem wurde der Wagen nicht schneller, sondern noch langsamer. Das Wasser um mich herum stieg. Der Motor gab auf. Meine Welt stand still. Wattlinie , sagte Smiley.
Dem Wasser war mein Weltstillstand egal. Es floss in den Wagen. Eisig kalt umspülte es meine Füße. Smiley hatte behauptet, der Fluss würde höchstens ein bisschen an der Tür lecken, wenn überhaupt. Nun schwappte er zu mir rein und hinten im Kofferraum schrie Edy in Todesangst. Sie würde sterben, wenn ich sie da nicht rausholte, aber ich hatte einen Totalausfall und konnte mich nicht bewegen. Erst als der Wagen ein paar Zentimeter wegrutschte, löste sich meine Starre. Ich packte den Zündschlüssel, hielt mich am Dach fest und zog mich durch das Fenster aus dem Auto.
Die Strömung drückte mich gegen das Fahrzeug. Obwohl das Wasser mir nur knapp bis zu den Oberschenkeln reichte, hatte es eine ungeheure Kraft. Wenn es mich mitriss, würde es mich verschlingen, genau wie damals, nur war diesmal keiner da, der mich herausziehen würde.
Schritt für Schritt kämpfte ich mich zum Heck durch. Dabei stieß ich gegen Steine, glitt auf ihnen aus, rutschte immer wieder weg. Der Stiefel ohne Schnürsenkel verabschiedete sich von mir. Füße und Beine wurden taub in der Kälte des Wassers.
»Ich bin da!«, schrie ich. »Ich bin da!«
Im Kofferraum wurde es still. In meinem Kopf schrie es weiter. Eine Stimme aus der Vergangenheit. Die Stimme eines kleinen Mädchens.
Ich beugte mich vor, presste meinen Oberkörper gegen den Kofferraumdeckel und schob mich auf die Rückseite des Wagens. Sofort zerrte die Strömung an mir. Mit beinahe gefühllosen Händen tastete ich nach dem Schloss. Als ich es endlich gefunden hatte, brauchte ich mehrere Anläufe, bis ich den Schlüssel hineinbekam.
Ich drehte ihn. Der Deckel kam hochgeschossen, schrammte mich weg. Fast gleichzeitig schleuderte mich ein harter Stoß gegen die Brust nach hinten. Alles Rudern mit den Armen nützte nichts. Eisig kaltes Wasser verschlang mich, wirbelte mich herum und schwemmte mich fort. Meine Füße fanden keinen Halt, meinen Lungen ging der Sauerstoff aus. Durch den Riss in der Zeit schrie meine Schwester meinen Namen. Mick! Sina! Meine Hand suchte ihre Hand und griff ins Leere. Mein Rücken rutschte über Steine. Mein Kopf tauchte auf. Ein heftiger Schlag bremste mich. Ich hustete und würgte, spuckte Wasser aus und saugte gierig Luft in mich hinein. Der Schmerz zerriss mich beinahe. Aber ich lebte!
Die Strömung hatte mich in einer kleinen Mündung gegen ein paar Stein- und Felsbrocken gespült. Die Hölle wollte mich nicht! Noch nicht. Aus meiner Kehle stieg ein irres Lachen. Schlotternd zog ich mich an einem der riesigen Steine hoch, stolperte ans Ufer und ließ mich in den Sand fallen.
Hinter den hohen Felsen der Schlucht ging die Sonne auf und
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