Nobels Testament
der anderen Seite der Glasscheibe überprüfte ihren Pass, sah genauer hin, befühlte das Foto, gab etwas in den Computer ein, und das Kätzchen spürte, wie ihr Puls stieg,
stieg,
sie leckte sich über die Lippen und schluckte.
Los jetzt, verdammt noch mal!
Die Tante schaute sie an, gründlich, prüfend, bog den Pass weiter auf, sodass der Rücken einen Knick bekam. Passen Sie auf, wollte sie rufen. Der ist ganz neu.
»Problem?«, sagte das Kätzchen in gebrochenem Englisch.
Die Polizistin ignorierte sie, arrogante Hexe. Stattdessen griff sie zum Telefon, tippte eine Kurzwahl und wartete. Jetzt hob sie den Blick, das Kätzchen spürte, wie der Blick ihren Körper wie Röntgenstrahlen durchdrang, direkt hinein in den bodenlosen Brunnen, der ihre Seele beheimatete. Die Alte sagte etwas in den Hörer, natürlich im unverständlichen Rotwelsch der Wichtigtuer, wartete einen Augenblick und legte dann auf. Sie erhob sich, schob ihren Stuhl unter den Schreibtisch und verließ durch eine Tür auf der Rückseite das Kontrollhäuschen. Das Kätzchen folgte ihr mit dem Blick, sie kam direkt auf sie zu. Sie konnte sich nicht rühren, hatte nicht einmal mehr einen Fluchtreflex.
»Miss Houseman?«, fragte die Polizistin, blieb vor ihr stehen und fasste sie am Ellenbogen. »Miss Frances Houseman? Würden Sie bitte mit mir kommen?«
Sie kannten ihre wahre Identität, sie hatten ihren Kern bloßgelegt – Frances, nach der ersten Frau im Kabinett.
Das Kätzchen schob die Hand in die Tasche, öffnete die Dose.
»Ich hätte auf Papa hören sollen«, sagte sie.
Ihre Finger fanden die Tablette, und sie stopfte sie in den Mund.
Ich hätte Grant heiraten sollen, dachte sie und zerbiss die Cyanidkapsel.
Dank der Autorin
Dies ist ein Roman, frei erfundene Fiktion.
Um die zu untermauern, bediene ich mich einer Vielzahl von Fakten.
Das Karolinska-Institut existiert und ist völlig unbeschadet. Im Herbst wurde es von
The Times Higher Education Supplement
(THES) zur viertbesten Biomedizinischen Hochschule der Welt ernannt, gleich nach Harvard, Cambridge und Oxford.
Ein Institut für Medizinische Epidemiologie und Molekularbiologie, MEM, und ein Institut für Physiologie und Biophysik gibt es am Karolinska-Institut hingegen nicht. Diese Institute sind der freien Fantasie der Autorin entsprungen, funktionieren aber ungefähr wie vergleichbare Arbeitsplätze rund um den Globus.
Und auch wenn die Nobelversammlung und das Nobelkomitee des Karolinska-Instituts wie in meinem Roman beschrieben aufgebaut sind und rein technisch gesehen auch so funktionieren, möchte ich doch darauf hinweisen, dass ich ihre Arbeit nicht mitverfolgt habe. Ich erhebe daher keinen Anspruch darauf, die inneren Strukturen faktisch korrekt geschildert zu haben.
Ein modernes, weißes Haus am Ende des Berzelius Väg in Solna gibt es ebenfalls nicht. Ich habe ganz einfach ein Gebäude des Karolinska-Instituts in Huddinge auf den Campus nach Solna verlegt, Simsalabim.
Auch die Redaktion des
Abendblatts
ist nicht existent, sie vereint die Züge vieler Medienunternehmen, für die ich im Laufe der Jahre gearbeitet habe.
Alfred Nobel hingegen hat natürlich gelebt, ebenso sein Bruder Emil, Beatrice Cenci, Bertha von Suttner und Sofie Hess. Alles, was ich in diesem Roman über eben genannte Personen geschrieben habe, beruht auf historischen Fakten.
Das Gemälde von Beatrice Cenci, gemalt von Guido Reni oder möglicherweise von seiner Tochter Elisabetta Sirani, ist ebenfalls existent, aber es hängt nicht bei irgendeiner Privatperson in Djursholm, sondern in der Galleria Nazionale d’Arte Antica in Rom.
Die ganze traurige Geschichte, die sich um das Theaterstück
Nemesis
rankt, eine Tragödie in vier Akten, verfasst von Alfred Nobel, ist historisch korrekt beschrieben. Es gibt nur noch ein einziges Originalexemplar, welches sich im Riksarkiv in Stockholm befindet. Die beiden anderen Bücher, die Nathan Söderblom den Flammen nicht übergeben hat, sind bis heute verschwunden geblieben.
Dennoch kann Nobels Testament von allen gelesen und gekauft werden. Im Jahre 2003 verlegte der Esperantoförlaget in Stockholm das Stück erstmals. Im Jahre 2005, an Nobels Todestag am 10. Dezember, wurde das Stück im Strindbergs Intima Teater, Stockholm, uraufgeführt. Sowohl das Stück als auch die Schauspieler bekamen beste Kritiken.
Auch wenn es einhundertneun Jahre zu spät war, so wurde der Poet Alfred Nobel doch endlich rehabilitiert.
Ich hätte diesen Roman nicht ohne die
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