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Nobels Testament

Nobels Testament

Titel: Nobels Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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überfiel sie die Hitze. Ohne noch Herrin über ihren Willen zu sein, kletterte sie ins Fenster und zwängte sich hinaus. Sie fiel durch die Luft, stürzte aus dem ersten Stock der Terrasse entgegen, während hinter ihr das Schlafzimmer in Flammen aufging. Sie landete auf den Füßen, mitten auf dem Verandatisch der Sitzgruppe, der unter ihrem Gewicht schwankte.
    Der Stoß schickte einen Schmerz durch ihr gesamtes System, von den Knochen über die Muskeln in Haut und Nerven. Das hohe Tempo schleuderte sie an die Tischkante. Beinahe wäre sie kopfüber hinuntergefallen, konnte aber noch rechtzeitig nach einem Stuhl greifen.
    Die Welt blieb stehen. Sie schloss die Augen und atmete durch.
    Der Schmerz klang schnell ab. Sie setzte sich auf und befühlte ihre Beine. Alles tat ihr weh, aber gebrochen war nichts.
    Die Kinder.
    Sie kletterte vom Tisch und richtete sich auf, vorsichtig, da ihre Hüfte schmerzte. Kalle und Ellen standen dicht zusammengedrängt unterhalb der Terrasse, sie sah ihre großen Augen über die Kante gucken.
    »Ist alles klar?«, fragte sie und ging vorsichtig zu ihnen, noch immer unsicher, ob sie sich auf den Beinen halten konnte. »Habt ihr euch wehgetan, als ihr gelandet seid?«
    Die Kinder schüttelten die Köpfe, ihre Haare flatterten im Nachtwind.
    Die Hitze ließ hinter ihr ein weiteres Fenster explodieren. Glassplitter wirbelten durch die Luft, sie duckte sich automatisch und hielt schützend die Arme über die Kinder.
    »Kommt«, sagte sie, »wir gehen runter auf den Rasen. Wir gehen ein Stück weg.«
    Und die Kinder in ihren Schlafanzügen folgten ihr durch das taunasse Gras in Richtung von Ebbas Haus. Weit entfernt ertönte das Geräusch von Sirenen, ein Chor von Einsatzfahrzeugen, und in den umliegenden Häusern gingen in der Sommernacht die Lichter an.
    Da sah sie ihn.
    Ihr Körper verspannte sich, wurde hart wie ein Stein, das Adrenalin schlug wieder zu, und ihre Arme begannen zu zittern. Er stand hinter seiner Hecke und schaute zu ihrem Grundstück herüber. Er hatte sie nicht entdeckt, denn er spähte neugierig und mit gerecktem Hals zum oberen Stockwerk des Hauses hinauf. Er versuchte die beste Stelle zu finden, um durch das Blattwerk eine gute Aussicht zu haben.
    »Guck mal«, sagte Kalle und zeigte auf Wilhelm Hopkins. »Da ist der doofe Nachbar.«
    »Pssst«, machte Annika und verschanzte sich in der Dunkelheit.
    Er soll nicht wissen, dass wir noch leben, dachte sie. Er hat nicht gesehen, wie wir uns gerettet haben, und jetzt glaubt er, gewonnen zu haben.
    Barfuß schlichen Annika und die Kinder lautlos über die Straße und auf Ebbas Grundstück.
    »Warum brennt unser Haus, Mama?«, fragte Ellen.
    Annika versuchte ihre Stimme unter Kontrolle zu bekommen, versuchte die Lippen zu befeuchten.
    »Ich weiß nicht, mein Schatz. Manchmal brennen Häuser eben.«
    Das Gesicht des Mädchens verzog sich zu einem Weinen.
    »Und wo ist Papa?«
    »Papa arbeitet«, sagte Annika. »Er muss heute lange arbeiten.«
    »Ihr habt gestritten«, sagte Kalle.
    »Und wo ist Poppy?«, fragte Ellen. »Mama, Poppy und Ludde? Mama, sind sie im Feuer verbrannt?«
    Sie weinte hemmungslos, wollte zurück zum Haus lauten, Annika musste sie festhalten.
    Ich kann nicht einfach hier stehen, dachte sie. Ich darf nicht hier stehen bleiben und die Kinder zusehen lassen, wie ihr Zuhause abbrennt. Sie sollen nicht Zeugen werden, wie Nachbarn unser Haus in Brand setzen und dann in den Büschen stehen und zuschauen, wie wir drinnen verbrennen.
    »Poppy«, weinte Ellen, »ich will meine Poppy haben …«
    Annika hatte immer noch ihr Handy in der Hosentasche.
    Sie holte es raus und schaute auf das Display. Niemand hatte angerufen. Thomas hatte nicht angerufen. Niemand hatte eine SMS geschickt.
    Sie rief Thomas an, das Telefon war ausgeschaltet, und die Mailbox sprang an. Was sollte sie sagen? Wo sollte sie anfangen?
    Sie drückte das Gespräch weg und rief stattdessen ein Taxi.
    Aber sie hatte ja gar kein Geld, und wohin sollte sie überhaupt fahren?
    Sie sah zum Haus hinüber.
    Die letzten Fenster zerschellten. Die Flammen schlugen aus allen Zimmern. Die Sirenen kamen immer näher, aber die Feuerwehr würde auch nichts mehr retten können. Das Dach würde bald einstürzen.
    Ihr war nach Weinen zumute, doch sie war wie gelähmt. Ihr war nach Schreien zumute, doch sie war stumm.
    Die Kinder drückten sich an sie, und sie wusste, dass sie eigentlich nicht hier stehen sollten. Die Kinder waren die Zielscheibe gewesen. Ihre

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